Umwelt:Weg mit den Plastiktüten

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76 Plastiktüten verbraucht jeder Deutsche im Schnitt pro Jahr (Foto: dpa)

Zwangsgebühren auf Plastiktüten zeigen in Großbritannien die gewünschte Wirkung. Deutschland muss dringend aufholen.

Kommentar von Marlene Weiß

Horden von überforderten Passanten hatte man befürchtet, hoffnungslos beladen mit unverpackten Einkaufsgütern, als England im Oktober 2015 eine Zwangsgebühr für Plastiktüten in großen Geschäften einführte. Ganz so schlimm kam es dann doch nicht. Immerhin, ein Mann sei im Norden Londons mit einem eingewickelten Lachs gesichtet worden, schrieb die New York Times. Tütenlos! So leicht kommt man selten in die Zeitung.

Und nun zeigt sich: Die Gebühr hat die gewünschte Wirkung. Die sieben größten Kaufhaus- und Supermarktketten hatten 2014 in England noch fast acht Milliarden Tüten verteilt. In den ersten sechs Monaten nach Einführung der Gebühr waren es nur noch 640 Millionen, auf das Jahr gerechnet ein Rückgang um mehr als 80 Prozent. Dabei kosten die Tüten gerade mal fünf Pence. In Irland, dem Musterschüler im Plastikfach, wagte man sogar die umfassende Abgabe, von inzwischen 22 Cent pro Tüte: Ein Schwund von sage und schreibe 328 Tüten pro Kopf und Jahr auf 14 war die Folge. Geht doch.

In Deutschland werden noch immer jährlich etwa 76 Plastiktüten pro Kopf verbraucht

So weit ist Deutschland noch nicht. Dabei gibt es im Lebensmittelhandel hier seit Jahrzehnten den "Tütengroschen", eine Übereinkunft, die Kunden für Tragetaschen bezahlen zu lassen. Trotzdem werden hier immer noch jährlich etwa 76 Plastiktüten pro Kopf verbraucht. Seit April gibt es eine generelle freiwillige Selbstverpflichtung im Einzelhandel, für Tüten Geld zu verlangen, aber die erfasst eben nur einen Teil der Geschäfte. Dünne Obst- und Gemüsetüten bleiben sowieso ausgenommen.

Immerhin gibt es in Deutschland ein halbwegs vernünftiges Abfallrecht; anders als etwa in Großbritannien wandert hier kein Müll mehr einfach so auf die Deponie. Trotzdem wird nur ein Bruchteil der Tüten über die Wertstofftonne wiederverwertet, die meisten werden verbrannt.

Darum wäre es auch hier an der Zeit, mit einer Entwöhnung vom Plastik zu beginnen. Das Zeug müllt den Planeten zu, füllt die Ozeane, Meerestiere verfangen sich darin, ersticken daran oder verhungern mit Plastik-verstopftem Magen. Jahrzehnte dauert es, bis eine dünne Plastiktüte zersetzt ist, und selbst dann bleiben kleine Plastikpartikel übrig, die weiter die Umwelt belasten. Die Spuren des Plastozäns sind überall.

Dabei zeigen doch die jüngsten Erfolge: Die Tüten braucht niemand, sonst würde man nicht wegen ein paar Cent darauf verzichten. Es ist eine Frage der Gewohnheit, zum Einkaufen Taschen mitzunehmen (übrigens ist dafür Plastik gar nicht schlecht, Hauptsache haltbar). Und was ist eigentlich so schlimm daran, mal mit einem Lachs herumzulaufen?

© SZ vom 06.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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