Tierwohl:Kontrolle im Kuhstall

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Teil der Land-Romantik? Oder erhebliche Lärmbelästigung? Das Gebimmel von Kuhglocken hat ein Ehepaar aus Holzkirchen stark gestört. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Geht es Kühen auf Bio- oder konventionellen Betrieben besser? Die Antwort, die Forscher geben, erstaunt.

Von Andrea Hoferichter

Ein gesundes Euter, heile Gliedmaßen und ein sauberes Fell sind wichtige Voraussetzungen, damit sich eine Milchkuh wohlfühlen kann. Weniger ausschlaggebend ist, ob sie in einem konventionellen oder in einem Biobetrieb zu Hause ist. Das zeigt eine Studie des bundeseigenen Thünen-Instituts, die den Zustand der Tiere in mehr als 100 deutschen Betrieben untersucht hat. "Das Tierwohl hängt vor allem vom individuellen Management eines Betriebs ab und nicht so sehr von der Wirtschaftsweise", sagt der Thünen-Wissenschaftler Jan Brinkmann.

Die Forscher untersuchten die Tiere von 69 konventionellen und 46 nach der EU-Öko-Verordnung zertifizierten Biobetrieben in Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern. Sie stellten fest, wie viele Tiere Euterprobleme hatten, lahm, verwundet, zu mager, zu fett oder schlicht schmutzig waren, und wie hoch die Sterberate lag. In der Summe untersuchten die Forscher zehn Indikatoren, die von Wissenschaftlern, Landwirtschafts- und Tierschutzverbänden, Ministerien und Behörden ausgewählt worden waren.

"Insgesamt traten die Probleme in der ökologischen Milchviehhaltung in etwas geringerem Umfang und mit weniger Arzneimitteleinsatz auf", berichtet Brinkmann. Dennoch fielen die Unterschiede zwischen einzelnen Betrieben mitunter deutlich größer aus als zwischen konventionell und bio. Zum Beispiel gab es in beiden Wirtschaftsformen Betriebe, in denen alle Kühe normal gehen konnten, in anderen gab es massive Probleme. In einem der konventionellen Betriebe waren fast 70 Prozent der Tiere lahm, in den Biobetrieben lag der Extremwert bei knapp 50 Prozent. Bei den meisten anderen Indikatoren waren konventionelle und Biobetriebe etwa gleichauf. Was den Ernährungszustand betrifft, konnten die konventionellen Höfe leicht bessere Ergebnisse verbuchen.

Die Untersuchung zeigt, dass strengere Haltungsvorgaben allein, etwa mehr Platz pro Kuh in den Ställen und ein Weideaufenthalt im Sommer, kein Garant dafür sind, dass es den Tieren auch wirklich gut geht. Die Thünen-Forscher schlagen deshalb vor, die zehn tierbezogenen Indikatoren als zusätzlichen Maßstab zu nehmen, etwa bei Zertifizierungen von Biobetrieben nach EU-Recht und bei der Vergabe von Fördergeldern für eine besonders tiergerechte Haltung.

Jedoch wollen sie erst noch abschätzen, wie aufwendig und teuer so ein Prozedere werden kann und wie gut Landwirte sowie Kontrolleure damit zurechtkommen. Zudem müsste die Politik Grenzwerte festlegen. Wann wird eine Warnung ausgesprochen und eine Beratung empfohlen, und wann werden Zertifizierung oder Fördergelder gestrichen? Die Wissenschaftler plädieren dafür, sich bei jedem Indikator jeweils an den 25 Prozent der Betriebe mit den besten Ergebnissen zu orientieren. Bioverbände wie Bioland, Demeter und Naturland gehen einen ähnlichen Weg. Verbandsübergreifend führen sie schon seit 2014 einen indikatorengestützten Tierwohlcheck durch, für alle Nutztierarten zusätzlich zu den ohnehin vorgeschriebenen jährlichen Kontrollen.

© SZ vom 23.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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