Rinderpest:Die dritte Ausrottung

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Tierärzte wollen ein Pest-Virus auslöschen, das vor allem in Afrika und Asien Ziegen oder Schafe befällt und damit viele Kleinbauern ruiniert. Doch so etwas kann sehr schwer sein - das zeigt der Kampf gegen die Masern.

Von Kai Kupferschmidt

Zwei Krankheitserreger hat der Mensch bisher ausgerottet: die Pocken und die Rinderpest. Nun startet ein dritter Vernichtungsfeldzug, so haben es Tierärzte und Regierungsvertreter Anfang des Monats in Abidjan in der Elfenbeinküste entschieden. Bis 2030 wollen sie das Virus ausrotten, das die Pest der kleinen Wiederkäuer verursacht.

Der Erreger ist eng mit der Rinderpest verwandt, befällt aber Ziegen und Schafe. Infizierte Tiere leiden unter Fieber, Ausfluss aus Augen und Nase und Durchfall; die Schleimhäute entzünden sich, das Immunsystem wird geschwächt. Bis zu 90 Prozent der Tiere sind innerhalb weniger Tage tot.

"Am Ende sterben sie entweder an der Infektion selber oder durch das geschwächte Immunsystem an anderen Krankheiten, etwa einer schweren Lungenentzündung", sagt Ludwig Haas, Virologe an der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Der ökonomische Schaden beträgt jedes Jahr bis zu zwei Milliarden Dollar.

Für arme Bauern eine Katastrophe

In Europa ist die Krankheit bisher nicht aufgetreten. Aber in den vergangenen 15 Jahren hat sich der Erreger von Westafrika aus rasant ausgebreitet: Nach Marokko, Algerien und Tunesien, aber auch auf die arabische Halbinsel, nach Indien, China und in die Türkei ist er gelangt.

Vor allem für arme Bauern in Afrika kann die Krankheit eine Katastrophe bedeuten. Die Tiere liefern dort nicht nur Milch, Nahrung und Wolle. "Für die ist so ein Schaf oder eine Ziege nicht nur Nahrungsgrundlage, sondern auch ein Vermögen", sagt Thomas Mettenleiter, Präsident des Friedrich-Loeffler-Instituts, des Bundesforschungsinstituts für Tiergesundheit auf der Insel Riems. "Wenn da die Schafe und Ziegen sterben, das ist, als würde Ihre Bank pleitegehen."

Weltweit gibt es etwa zwei Milliarden Schafe und Ziegen. Die Welttiergesundheitsorganisation schätzt, dass mindestens 80 Prozent von ihnen geimpft sein müssen, um die Krankheit auszurotten. In der Praxis bedeutet das, dass fast alle Tiere, die älter als drei Monate sind, geimpft werden müssen, ein enormer logistischer und finanzieller Aufwand.

In einer ersten Phase soll deshalb nun festgestellt werden, wo wie viele Tiere gehalten werden und wo sie am meisten gefährdet sind. Insgesamt soll die Ausrottung 15 Jahre dauern und vier bis sieben Milliarden Dollar kosten. Bei ihrem Plan stützen sich die Seuchenbekämpfer auf die Erfahrungen mit dem Rinderpestvirus.

Der Erreger wurde 2011 als erste Tierseuche offiziell für ausgerottet erklärt. Vorangegangen waren Jahrzehnte des Kampfes gegen die Krankheit. Der Erreger traf nicht nur Rinder, sondern auch wild lebende Büffel und Gnus und verursachte furchtbare Hungersnöte. Am Ende war ein entscheidender Durchbruch die Entwicklung eines Impfstoffs, der auch bei Hitze stabil bleibt. Forscher wollen deshalb in den nächsten Jahren auch den Impfstoff gegen die Pest der kleinen Wiederkäuer so verbessern, dass er Hitze länger aushält.

Enger Verwandter der Rinderpest: Die Masern

Selbst wenn einmal ein guter Impfstoff verfügbar ist, bleibe aber eine Frage offen, sagt der Tierarzt Haas: welche Rolle andere Tiere bei der Ausbreitung der Krankheit spielen. So kann die Pest der kleinen Wiederkäuer gelegentlich auch andere Tiere infizieren, zum Beispiel Rinder, Schweine oder Wildtiere. "Die Rinderpest konnte ausgerottet werden, ohne die Wildtiere zu impfen", sagt der Tierarzt. "Kann man das hier auch? Das ist noch nicht ganz klar."

In jedem Fall brauche es im Kampf gegen Infektionskrankheiten einen langen Atem, sagt Mettenleiter. So schien die Rinderpest in Afrika in den 80er-Jahren schon fast besiegt, kam aber wieder zurück, breitete sich über den ganzen Kontinent aus und tötete Millionen Rinder. "Die Erfahrung mit der Rinderpest hat uns gezeigt, dass es gerade im Endstadium wichtig ist, nicht nachzulassen", sagt Mettenleiter.

Das dürften auch seine Kollegen in der Humanmedizin sofort unterschreiben. Sie kämpfen schließlich seit Jahrzehnten gegen einen engen Verwandten von Rinderpest und Pest der kleinen Wiederkäuer: die Masern.

© SZ vom 13.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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