Textilien:Hemden süßsauer

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Wer ungern bügelt, kann vielleicht bald auf Textilien zurückgreifen, die mit Zitronensäure und Xylitol knitterfrei gemacht wurden. Anders als herkömmliche Verfahren ist die Methode umweltfreundlich.

Von Andrea Hoferichter

Von bügelfreien Hemden hält Yiqi Yang nicht viel. Jedenfalls nicht von denen, die man bislang kaufen kann. "Vor allem bei der Produktion wird gesundheitsschädliches Formaldehyd freigesetzt", sagt der Professor an der Nebraska University, USA. Das Gas entweicht aus den Kunstharzen, mit denen Baumwollstoffe üblicherweise knitterfrei gemacht werden, vom Oberhemd bis zur Bettwäsche. Dann doch lieber mit dem Bügeleisen glätten. Aber Yang will nun eine umweltfreundlichere Alternative für die Harze gefunden haben: eine Mischung aus Zitronensäure und dem Süßstoff Xylitol. Die Süßsauer-Ausrüstung sei sogar billiger und liefere vergleichbare Ergebnisse, berichtet der Forscher. Wie konventionelle Kunstharze bildet der neue Mix eine Art Gitter zwischen den Baumwollfasern und hält sie so in Form.

Formaldehyd ist allgegenwärtig. Es entsteht bei industriellen Verbrennungsprozessen, steckt in Autoabgasen, Zigarettenrauch und in verschiedenen Produkten, vom Nagellack bis zur Spanplatte. Es kommt auch ganz natürlich vor, zum Beispiel in Äpfeln. Dennoch kann es gesundheitsschädlich wirken, die Schleimhäute reizen und bei Hautkontakt Allergien auslösen. Im letzten Jahr wurde es von der EU als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft. Die Weltgesundheitsorganisation WHO kam schon 2006 zu dem gleichen Schluss. "Umso wichtiger ist es, die Emissionen zu begrenzen, wo es möglich ist", sagt Brigitte Zietlow vom Umweltbundesamt.

Die meisten Versuche scheiterten daran, dass die Textilien sich verfärbten

Vor Kurzem hat die Umweltministerkonferenz beschlossen, die Grenzwerte für Formaldehyd-Emissionen industrieller Anlagen von bisher maximal 20 auf fünf Milligramm pro Kubikmeter Luft zu senken. Allerdings gilt das nicht für die Textilindustrie. "Vertreter der Branche konnten glaubhaft vermitteln, dass es zurzeit keine qualitativ und wirtschaftlich tragbaren Alternativen zur aktuellen Knitterfrei-Ausrüstung gibt", sagt Zietlow.

Die neue Rezeptur aus Yangs Labor weckt deshalb Hoffnungen. Erste Versuche in einer Pilotanlage lieferten vielversprechende Ergebnisse. Die Maschine zog 1000 Meter Bahnen eines weißen und eines blaukarierten Stoffs von der Rolle durch ein Bad mit der Zitronensäure-Xylitol-Mischung und durch einen Trockner. Anschließend ließen die Forscher testen, wie reiß- und bruchfest die behandelten Stoffe waren und ob sie sich verfärbt hatten. Die Ergebnisse waren mit jenen von konventionell ausgerüsteten Textilien vergleichbar, schreiben sie im Fachblatt Sustainable Chemistry and Engineering.

Bisherige formaldehydfreie Kunstharze zur Knitterfrei-Ausrüstung konnten sich nicht durchsetzen. "Sie können zu Verfärbungen führen und sind bis zu zehnmal teurer als konventionelle Ausrüstungen", sagt Yang. Die Zitronensäure-Xylitol-Mischung dagegen sei sogar deutlich billiger. Außerdem lasse sie sich leicht aus nachwachsenden Rohstoffen herstellen.

Markus Oberthür arbeitet am Deutschen Textilforschungszentrum Nord-West in Krefeld ebenfalls an formaldehydfreien Varianten. Er hält die Ergebnisse aus Nebraska für vielversprechend. Die Werte zur Reißfestigkeit könnten aber besser sein, sagt er. "Und es ist nicht das erste Mal, dass mit Zitronensäure als Basis für eine Knitterfrei-Ausrüstung experimentiert wird." Bisher scheiterten diese Versuche vor allem daran, dass sich die Stoffe mitunter gelb verfärbten. Auf Rückfrage versichert Yang, diesen Effekt durch die Xylitol-Zugabe verhindern zu können. "Interessant sind die Ergebnisse so oder so ", sagt Oberthür. Deshalb will sein Team das Süßsauer-Rezept schon bald "nachkochen" und die damit behandelten Stoffe selber testen.

© SZ vom 09.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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