Drogenrückstände in der Natur:Was vom Rausch übrig bleibt

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Da ist was im Wasser: Nach Musikfestivals wie dem in Glastonbury lassen sich in örtlichen Flüssen Rückstände von Drogen finden. (Foto: Getty Images)
  • In Taiwan haben Forscher nach einem Musikfestival die Gewässer der Umgebung untersucht. Sie fanden dort große Mengen MDMA und Ketamine.
  • Wissenschaftler diskutieren, wie groß der Einfluss der Wirkstoffe in der Umwelt ist. Das Problem ist, dass kaum Daten zur Wirkung illegaler Drogen auf die Ökosysteme existieren.
  • Für das Trinkwasser geben Experten Entwarnung. Allerdings könnte das Problem sich in Zukunft verschärfen.

Von Christoph Behrens

Adam, Essence, Love, Molly, Teile, oder einfach "E" - die Liste an Codenamen für die Partydroge Ecstasy ist lang, gemeint ist aber fast immer das gleiche: Der Stoff MDMA, ein Derivat des Rauschmittels Amphetamin. Im Gehirn wirkt es euphorisierend, Konsumenten können die ganze Nacht durchtanzen. Danach folgen jedoch meist: Niedergeschlagenheit, Übelkeit, depressive Verstimmung. All die Glücksbotenstoffe, die das Gehirn binnen kürzester Zeit freisetzt, müssen erst wieder aufgefüllt werden.

Doch nicht nur im Körper hinterlassen synthetische Drogen Spuren. Der Konsum hat auch Auswirkungen auf die Umwelt, wie Forscher in Taiwan nun präzise in der Umgebung eines Musikfestivals nachgemessen haben. Das viertägige "Spring Scream" Festival ist die größte Musikveranstaltung des Landes - vergangenen April strömten etwa 600 000 Besucher in den südlichen Küstenort Kenting. Auch Forscher der nahegelegenen Sun Yat-sen Universität machten sich auf den Weg. Sie interessierten sich allerdings weniger für die Bands als für die Flüsse in der Umgebung. An 30 Stellen nahmen sie Proben.

Das Ergebnis war eindeutig. Bis auf 1267 Nanogramm pro Liter stieg die Konzentration von MDMA im Wasser während des Wochenendes an. Der Gehalt von Ketamin, einem zur Berauschung verwendeten Schmerzmittel, lag zeitweise sogar um das zehnfache höher. Die Forscher um den Chemiker Jheng-Jie Jiang sprechen in ihrer Veröffentlichung daher von einem "außergewöhnlichen Anstieg während des Jugendfestivals".

Erstmals ist es gelungen, den Weg der Drogen in der Umwelt nachzuzeichnen

Einerseits bedeutet das Resultat also wenig Überraschendes: Dass während des Wochenendes wohl enorme Mengen der Drogen konsumiert und dann über die lokalen Abwassersysteme wieder ausgeschieden wurden. Viel wichtiger allerdings ist der Effekt eines solchen Ereignisses auf die Umwelt, der dank dieser detaillierten Messungen erstmals nachgezeichnet werden konnte.

Denn Ketamin und MDMA zählen zu einer Klasse neuer Schadstoffe, den"emerging contaminants" (EC), deren Auswirkungen auf die Ökosysteme noch kaum verstanden sind. Man nimmt lediglich an, dass sie die Vielfalt von wirbellosen Tieren im Flusswasser bedrohen; Verhaltensänderungen von Moskitofischen sind belegt. "Wir kennen noch nicht den genauen Effekt", sagt Chonlin Lee, einer der beteiligten Forscher. "Wir vermuten jedoch, dass große Mengen im Wasser auch ein Risiko für die öffentliche Gesundheit sind."

Auch Antibiotika, Schmerzmittel und andere Arzneien zählen zu den ECs, diese Stoffe fanden die Wissenschaftler ebenfalls zuhauf in den Flüssen. Einige, wie die zu den Herzmedikamenten zählenden Beta-Blocker, seien sehr langlebig, sagt Lee. Kläranlagen tun sich schwer mit ihrer Beseitigung. Besonders das weit verbreitete Aktivschlamm-Verfahren ist nicht dafür ausgelegt, Medikamenten- oder gar Drogenreste zu beseitigen. Auch für Europa gibt es schon Untersuchungen. Wissenschaftler des norwegischen Wasserforschungsinstituts Niva nahmen eine Woche lang in 19 Städten Gewässerproben und schlossen auf den Drogenkonsum. Den Kokainverbrauch der Europäer schätzen sie auf 356 Kilogramm pro Tag. In Antwerpen und Amsterdam werde besonders viel geschnupft, schreiben die Experten; in den Niederlanden und in Großbritannien ist auch Ecstasy im Abwasser extrem häufig. Amphetamine fanden die Forscher vor allem in skandinavischen und osteuropäischen Kanalisationen.

Welche Gefahr von den freigesetzten Stoffen insgesamt ausgeht, bleibt umstritten. Man muss vor allem zwischen der Belastung der Gewässer und der Belastung des Trinkwassers unterscheiden. Denn selbst wenn die Kläranlage einen Stoff passieren lässt, bedeutet das nicht, dass er später aus dem Wasserhahn kommt. Zunächst landet das geklärte Wasser in den Flüssen, wo ein Teil als "Uferfiltrat" ins Grundwasser sickert. "Im Erdreich werden eine ganze Reihe problematischer Verbindungen schon abgebaut", sagt der Geochemiker Michael Bau von der Jacobs University in Bremen. Auf dem Weg zum Meer hielten zudem die Flussmündungen viele Schadstoffe zurück. Bau ist daher vorsichtig, was Drogenrückstände in der Umwelt angeht. "Im Rhein und vielen anderen Flüssen haben Chemiker weltweit ebenfalls schon Kokain gefunden und auf den Drogenverbrauch hochgerechnet", sagt Bau. Die errechneten Mengen seien jedoch um einiges höher, als es Kriminalstatistiken vermuten ließen. "Eine Seite scheint also nicht ganz richtig zu rechnen", sagt Bau.

Zumindest für die menschliche Gesundheit gibt der Geochemiker Entwarnung. Die Qualität des Trinkwassers sei in Deutschland ausgezeichnet, "wirklich bedenklich sind da noch gar keine Stoffe." Anders in den Gewässern selbst, wo die Belastung mit Wirkstoffen weitaus höher sei. "Für die Umwelt, für Mikroorganismen und Wassertiere kann das an manchen Stellen schon problematisch sein."

Das Abwasser verrät viel über die Bewohner einer Stadt

Diese Probleme zu erforschen, erweist sich jedoch als schwierig: Es mangele derzeit noch an ökotoxikologischen Daten für illegale Drogen, erklärt die Ökochemikerin Barbara Kasprzyk-Hordern von der britischen Universität Bath. Einig ist man sich nur, dass die Belastung mit "emerging contaminants" generell zunimmt. "Der Konsum von Pharmazeutika steigt mit wachsender und alternder Bevölkerung an", sagt Kasprzyk-Hordern. "Das Problem wird in den kommenden Jahren immer drängender".

"Es ist zur Zeit noch ein Phänomen der reichen Länder", entgegnet Michael Bau. Mit dem Verbrauch von Medikamenten und Kontrastmitteln wachse zwar der Einfluss der Stoffe auf die Umwelt. Noch sei die Menge insgesamt aber gering. Medikamentenreste im Wasser können für den Menschen derweil noch auf andere Weise zum Problem werden. Denn durch den hohen Antibiotikaverbrauch können sich Resistenzen unter Bakterien bilden, die im Wasser leben. So haben Forscher der Technischen Universität Dresden im Stadtgebiet die Überreste von Antibiotika im Abwasser untersucht - und festgestellt, dass in Zeiten von vielen Antibiotikaverschreibungen auch die Menge der resistenten Keime deutlich zunimmt.

Klar ist: Über das Abwasser lässt sich auch enorm viel über die Bewohner einer Region herausfinden. So haben Wissenschaftler der University of Wisconsin in 71 US-Städten Proben in Kläranlagen genommen und das Erbgut der darin enthaltenen Bakterien untersucht. Die Darmflora eines Menschen unterscheidet sich von anderen sehr stark. Über typische Genabschnitte lässt sich zum Beispiel erkennen, welche Nahrung ein Mensch zu sich nimmt. Auf diese Weise leiteten die Forscher Informationen über die Bewohner einer ganzen Stadt ab, und konnten anhand des Abwassers erkennen, wie viele Dicke und wie viele Normalgewichtige in einem Ort leben.

© SZ vom 24.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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