Regierung mahnt zur Besonnenheit:Niemand muss Angst haben

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Die Bundesregierung hat nach dem Auftreten der Vogelgrippe in der Türkei zu Besonnenheit gemahnt. Es gebe "keinen Grund zur Panik", teilte das Gesundheitsministerium am Freitag mit. In Deutschland bestehe keine Gefahr. Impfungen und vorsorgliche Tabletteneinnahme seien nutzlos.

Christina Berndt und Alexander Hagelüken

In Deutschland müsse sich derzeit niemand Sorgen machen, sagte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD). Bisher sei die Krankheit auf Menschen nur durch intensiven Kontakt mit infiziertem Geflügel übertragbar. Bei den Personen, die in der westtürkischen Stadt Turgutlu unter medizinischer Beobachtung stehen, handelt es sich um die Familie eines Taubenzüchters und dessen Nachbarn.

Die Wahrscheinlichkeit, dass sie mit Vogelgrippe infiziert sind, bezeichneten Fachleute als gering. "Derzeit handelt es sich noch um eine Tierkrankheit", sagte der Leiter des Robert-Koch-Instituts (RKI), Reinhard Kurth. Eine Sprecherin der Bundesforschungsanstalt für Tiergesundheit sagte: "Heute muss in Deutschland niemand vor der Vogelgrippe Angst haben."

Ansturm auf Apotheken

Dennoch begann in Deutschland ein Ansturm auf Arztpraxen und Apotheken. Teilweise war der Impfstoff gegen die echte Grippe bereits vergriffen. Anfang November werde wieder ausreichend Impfstoff zur Verfügung stehen, teilte das Bundesamt für Sera und Impfstoffe aber mit.

"Gegen die Vogelgrippe nützt die Impfung sowieso nichts", sagte RKI-Sprecherin Susanne Glasmacher der Süddeutschen Zeitung. Bedauerlich sei, dass nun ältere Menschen und chronisch Kranke auf die Impfung gegen die normale Grippe warten müssten. Diese sei die eigentliche Bedrohung: Jeden Winter würden an ihr mehrere tausend Menschen in Deutschland sterben.

Auch eine vorbeugende Verabreichung antiviraler Medikamente ist laut Fachleuten zwecklos. Am Freitag bestätigte sich zudem die Befürchtung, dass die prophylaktische Einnahme Resistenzen schaffe: Eine infizierte Patientin in Vietnam konnte nicht mit Tamiflu von der Firma Roche behandelt werden, berichten japanische Wissenschaftler im Fachblatt Nature. Das Konkurrenzprodukt Relenza von Glaxo Smith Cline wirkte dagegen noch.

In Deutschland seien alle notwendigen Maßnahmen getroffen worden, hieß es aus dem Gesundheitsministerium. Der amtierende Verbraucherschutzminister Jürgen Trittin (Grüne) kündigte verschärfte Kontrollen an den Grenzen an, um eine Ausbreitung der Vogelgrippe nach Deutschland zu verhindern. Bayern untersagt von kommendem Montag an Geflügelmärkte und -ausstellungen.

Vorsicht auch in Deutschland geboten

Ob Rumänien von der Vogelgrippe betroffen ist, war noch unklar. Verdächtige Geflügelproben waren auf dem Weg in das EU-Referenzlabor in Weybridge vom britischen Zoll zurückgehalten worden. Das Ergebnis wird erst am heutigen Samstag feststehen. "Wir arbeiten unter der Hypothese, dass es sich um den gefährlicheren Virusstamm handelt", sagte aber ein Sprecher der EU-Kommission.

Dass die 2000 Vögel, die am Samstag auf einem Bauernhof an der türkischen Ägäisküste verendet waren, von dem auch für Menschen gefährlichen H5N1 befallen waren, steht dagegen fest. Zuvor war das Virus nur in Asien festgestellt worden, wo bereits 60 Menschen daran gestorben sind.

Daher sei auch in Deutschland Vorsicht geboten, sagte der Leiter des Influenza-Programms der Weltgesundheitsorganisation, Klaus Stöhr, der Süddeutschen Zeitung. "H5N1 hat es bereits geschafft, verschiedene Säugetiere zu infizieren." Stöhr begrüßte die Krisensitzung von Experten aus 25 EU-Staaten am Freitag in Brüssel. Dort wurden vor allem Maßnahmen besprochen, um die Ausbreitung der Krankheit durch Zugvögel zu verhindern. Die EU-Staaten sollen den Kontakt von Wildvögeln mit Geflügel unterbinden, speziell an Rastplätzen für Zugvögel. Für besonders gefährdete Regionen soll es eine Stallpflicht für Geflügel geben. Stöhr forderte zudem, alle Länder müssten ihre Notfallpläne überdenken.

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