Rangliste der Bedrohungen:Wovor die Welt sich fürchtet

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Klimawandel oder "Islamischer Staat": Worüber Menschen sich Sorgen machen, hängt stark von ihrem Wohnort ab. (Foto: AP)
  • Der Klimawandel wird von den meisten Menschen in Süd- und Mittelamerika mittlerweile als größte Bedrohung angesehen.
  • In Europa und den USA fürchtet man sich vor allem vor dem "Islamischen Staat".
  • Das zeigt eine Umfrage von US-Forschern unter 45 000 Menschen in 40 Ländern.

Von Markus C. Schulte von Drach

Jede Bevölkerung hat ihre eigenen Ängste vor dem, was in der Welt geschieht. Der Klimawandel etwa hat die Europäer und Amerikaner vor einigen Jahren stark bewegt. Klimaschutz war - gerade in Deutschland - vor der Weltwirtschaftskrise eines der wichtigsten Themen überhaupt.

Das hat sich verschoben. Der Klimawandel bereitet heute vor allem den Süd- und Mittelamerikanern, Indern, Pakistanern und vielen Menschen in Afrika die meisten Sorgen. Das zeigt eine Studie des Pew Research Centers in Washington D.C.

Die Forscher haben im Frühjahr insgesamt 45 000 Menschen in 40 Ländern gefragt, wie sehr sie sich sorgen wegen

  • des Klimawandels,
  • der möglichen Instabilität der Weltwirtschaft,
  • des "Islamischen Staates",
  • Cyberattacken auf Regierungen, Banken und Unternehmen,
  • dem Atomprogramm Irans
  • regionaler Spannungen zwischen Russland und seinen Nachbarn und
  • regionaler Spannungen zwischen China und seinen Nachbarn.

Wie das Meinungsforschungsinstitut berichtet, gaben etwa drei von vier befragten Brasilianern, Peruanern, Indern und Ugandern den Klimawandel als größtes Problem an, in Burkina Faso waren es sogar fast 80 Prozent. Und auch in China leben mit 19 Prozent der Bevölkerung mehr Menschen in Sorge wegen der Erderwärmung als wegen der anderen abgefragten Bedrohungen. Insgesamt war der Klimawandel in 19 der 40 untersuchten Ländern die Hauptsorge.

Der Westen sorgt sich vor dem "IS"

Klimawissenschaftlern zufolge werden gerade Asien und die afrikanischen Länder südlich der Sahara die Folgen des Klimawandels zu spüren bekommen. Bereits jetzt, so vermuten manche Experten, leiden die Menschen dort stärker unter Überschwemmungen, heftigen Stürmen oder Dürren als in der Vergangenheit. Trotzdem würde etwa in Südamerika wieder mehr Regenwald vernichtet, nachdem die Entwaldung in den vergangenen Jahren langsamer fortgeschritten war, berichten die Meinungsforscher.

Europäer, US-Bürger, Kanadier und Australier sowie Japaner, Indonesier und Südkoreaner fürchten sich dagegen heute eher vor der Bedrohung, die der "Islamische Staat" darstellt. In den sechs untersuchten EU-Staaten wiesen die meisten Menschen in Spanien, Frankreich, Deutschland, Italien und Großbritannien auf den "IS" hin (66 und 77 Prozent). Lediglich in Polen galt die Hauptsorge den Spannungen Russlands mit seinen Nachbarn.

In den USA gaben mehr als zwei Drittel der befragten Bürger den "IS" als wichtigste Bedrohung an, in Kanada war es mehr als jeder zweite, in Australien fast 70 Prozent.

In einigen dieser Länder lassen sich die Sorgen vermutlich mit möglichen Anschlägen und einer weiteren Zunahme der Flüchtlinge aus dem Nahen Osten erklären. Unmittelbar bedroht durch den "IS" in Syrien und dem Irak fühlen sich dagegen Länder wie Libanon (80 Prozent), Jordanien (62 Prozent) und die Palästinenser (54 Prozent). In der Türkei dagegen fürchten mit 33 Prozent etwas weniger Menschen den "IS" als den Klimawandel (35 Prozent).

Klimawandel in Deutschland kein großes Thema mehr

Auffällig ist vor allem, dass viele Deutsche, die gemeinhin als besonders engagiert im Klimaschutz gelten, die Erderwärmung gar nicht als besonders wichtige Bedrohung wahrnehmen. Nur 34 Prozent zeigten sich "sehr besorgt" . Unter den europäischen Ländern waren es nur in Polen (14 Prozent) weniger. Mehr Angst bereitete den Deutschen im Frühjahr sogar das iranische Atomprogramm, die Möglichkeit von Hackerangriffen und die Spannungen zwischen Russland und seinen Nachbarn. Weniger Angst als vor dem Klimawandel hatten die Deutschen nur vor einer instabilen Weltwirtschaft.

Die Zahlen verheißen nichts Gutes für den UN-Klimagipfel in Paris Ende des Jahres. Je weniger die Europäer, Amerikaner, Australier und Japaner die Erderwärmung als Bedrohung betrachten, desto geringer dürfte auch die Bereitschaft sein, etwas dagegen zu tun. Und damit dürfte auch die Aussicht auf einen neuen, wirklich wirksamen Klimavertrag verringern.

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Die Daten des Pew Research Center zeigen übrigens auch, dass es Länder gibt, in denen sich viele Menschen gleich über mehrere Bedrohungen besonders besorgt zeigen. In Europa etwa haben zwar die meisten Spanier Angst wegen des "IS", aber etwa 60 Prozent befürchten auch Folgen des Klimawandels und sorgen sich wegen der Weltwirtschaft. Und jeder Zweite machte sich auch noch Gedanken um das iranische Atomprogramm.

In China dagegen machen sich die Menschen wenig Sorgen - oder die Wissenschaftler haben die falschen Fragen gestellt. Neben dem Klimawandel dachten hier noch 16 Prozent an Gefahren für die Weltwirtschaft. Alle anderen abgefragten Punkte bewegten keine zehn Prozent der Chinesen. Vielleicht hätten sie sich mehr für Themen wie Korruption, Demokratie, Zensur und Menschenrechte interessiert.

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