Physik-Nobelpreis:Das Geheimnis der gebrochenen Symmetrie

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Der Nobelpreis für Physik geht dieses Jahr an die Teilchenphysiker Makoto Kobayashi und Toshihide Maskawa aus Japan sowie Yoichiro Nambu aus den USA.

Die Königlich-Schwedische Wissenschaftsakademie in Stockholm hat die diesjährigen Gewinner des Physik- Nobelpreises bekanntgegeben.

Yoichiro Nambu vom Enrico Fermi Institute der University of Chicago, USA. (Foto: Foto: AP)

Der Preis geht zur Hälfte an den Amerikaner Yoichiro Nambu vom Enrico Fermi Institute der University of Chicago "für die Entdeckung des Mechanismus der spontanen Symmetriebrechung in subatomarer Physik".

Die andere Hälfte erhalten die Japaner Makoto Kobayashi von der High Energy Accelerator Research Organization (KEK) in Tsukuba und Toshihide Maskawa vom Yukawa Institute for Theoretical Physics (YITP) der Kyoto University "für die Entdeckung der Ursprünge der gebrochenen Symmetrie, die die Existenz von mindestens drei Familien von Quarks in der Natur vorhersagt".

Damit erhalten drei Wissenschaftler die Auszeichnung für fundamentale Erkenntnisse in der Teilchenphysik, die das Verständnis der Natur entscheidend verbessert haben.

Symmetrien spielen nicht nur eine wichtige Rolle in der Newtonschen Mechanik - zum Beispiel wenn es um die Impulserhaltung geht. Auch die Existenz einer Antimaterie wurde aus Gründen der Symmetrie der Materie gegenübergestellt.

Allerdings haben Physiker auch nicht-symmetrische Verhältnisse beobachtet. So entstand beim Urknall vor 14 Milliarden Jahren offenbar mehr Materie als Antimaterie - und dafür können wir dankbar sein. Denn wären die Mengen symmetrisch, hätten sich diese Massen gegenseitig ausgelöscht und es gebe unseren Kosmos nicht.

Was damals geschah, ist noch immer nicht klar. Möglicherweise, so hoffen die Experten der Nobel-Jury, können die Experimente im Teilchenbeschleuniger LHC des Cern helfen, das Rätsel wenigstens teilweise zu lösen.

Der inzwischen 87-jährige Nambu hatte bereits 1960 das Prinzip der "spontanen gebrochenen Symmetrie" in der Teilchenphysik entdeckt und einen Weg gefunden, dieses in mathematische Formeln zu zwingen. Damit sei ein Standardmodell für die Erkenntnis der kleinsten Bausteine jeder Materie entwickelt worden, erklärte die Schwedische Akademie der Wissenschaften: "Spontan gebrochene Symmetrie verbirgt die Ordnung der Natur unter einer scheinbar ungeordneten Oberfläche."

Kobayashi und Maskawa bauten 1964 auf den Erkenntnissen Nambus auf und erweiterten die Theorie auf die Entstehungsgeschichte des Kosmos. Sie wiesen nach, dass das Auftreten von Assymetrien bereits die Anfänge des Universums prägten, und entwickelten die Hypothese von drei weiteren "Quarks" - jenen kleinsten Teilchen, aus denen sich die Protonen und Neutronen von Atomen zusammensetzen. 2001 konnte diese Hypothese mit Hilfe von Anlagen der Elementarphysik in den USA und Japan nachgewiesen werden.

Seiner Zeit voraus

Yoichiro Nambu gilt als "seiner Zeit so weit voraus", dass selbst Kollegen ihm kaum folgen können. Auf den Vorsprung angesprochen, sagte Nambu in Chicago: "Ja, das ist wohl wahr".

Nambu kam 1921 im japanischen Fukui zur Welt, studierte an der Universität Tokio und promovierte dort 1952. Er lehrte Physik an der Universität Osaka, bevor er einem Ruf der Universität Chicago in die USA folgte. 1970 erhielt er die Staatsbürgerschaft der USA. Rund 40 Jahre lang forschte und lehrte der Elementarphysiker in Chicago, wo noch heute als emeritierter Professor aktiv ist.

Nambu gilt als führende Figur bei der Entwicklung der modernen Teilchenphysik. Er war unter anderen an der Erstellung des Han-Nambu-Modells beteiligt, das die Farbladung als zusätzliche Quark-Eigenschaft definiert, sowie an dem quantenfeldtheoretischem Nambu-Jona-Lasio-Modell. Darüber hinaus gilt er als einer der Väter der Stringtheorie.

Über seinen Anteil am diesjährigen Nobelpreis ist der 87-jährige Forscher "mächtig begeistert", wie er am Telefon bekannte. "Das ist die Krönung", schwärmte er. Zu den vielen anderen Preisen, mit denen er bisher ausgezeichnet wurde, gehören der Dannie-Heinemann-Preis 1970, der Oppenheimer Preis 1976, die National Medal of Science 1982, die Max-Planck-Medaille 1985 sowie der Wolf-Preis 1994/5.

Unter Schock

Makoto Kobayashi war von dem Anruf des Nobelpreis-Komitees völlig überrascht: "Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich hab den Preis nicht erwartet", stammelte er. Auf die Frage, ob er noch unter Schock stehe, sagte er nur: "Ja."

Wie sein Mit-Nobelpreisträger Toshihide Maskawa ist der 64 Jahre alte Kobayashi seinem Heimatland ein Leben lang forschend treugeblieben. Ebenso wie dieser studierte studierte er auch an der Universität der Großstadt Nagoya, wo er 1972 seinen Doktor machte.

Später folgte Kobayashi seinem Kollegen zudem an die Universität der alten Kaiserstadt Kyoto, wo er als Assistent arbeitete und gemeinsam mit Kobayashi forschte. Als Assistenz-Professor ging Kobayashi 1979 an das Nationallabor für Hochenergiephysik in Tsukuba in der Nähe von Tokio. Dort wechselte er 1979 zum Teilchenbeschleuniger KEK, dessen Direktor er auch zeitweise war.

Der 68-jährige Maskawa arbeitet noch immer am Yukawa-Institut für Theoretische Physik an der Universität Kyoto.

Im vergangenen Jahr waren der deutsche Forscher Peter Grünberg und sein französischer Kollege Albert Fert für ihre Forschung zu Speichermedien geehrt worden.

Gestern hatte das schwedische Karolinska-Institut verkündet, dass der Medizin-Nobelpreis an den Deutschen Harald zur Hausen sowie an die Franzosen Françoise Barré-Sinoussi und Luc Montagnier geht.

Der 72-jährige zur Hausen wird ausgezeichnet für die Entdeckung, dass die sogenannten Papillomviren Gebärmutterhalskrebs auslösen. Das Nobelpreis-Komitee hatte erklärt, zur Hausen sei dabei "gegen ein verbreitetes Dogma angegangen". Seine Entdeckung habe die Beschreibung des Infektions- und Krankheitsverlaufs möglich gemacht sowie die Entwicklung von Impfstoffen.

Die französischen Aids-Forscher Barré-Sinoussi und Montagnier erhalten den Nobelpreis für ihre Rolle bei der Entdeckung von HIV. Auf sie gehen die Grundlagen für das heutige Wissen über Aids und seine Behandlungsformen zurück.

Zwar war auch der US-Forscher Robert Gallo ein Aids-Forscher der ersten Stunde und hatte sich als Entdecker des HI-Virus feiern lassen. Das Nobelkomitee aber hat ihn ignoriert.

Am Mittwoch gibt die schwedische Wissenschaftsakademie die Träger des Chemie-Nobelpreises bekannt. Im vergangenen Jahr gehörte mit dem Berliner Gerhard Ertl auch ein Deutscher zu den Preisträgern in dieser Kategorie. Ertl war für seine "Studien von chemischen Prozessen auf Festkörperoberflächen" ausgezeichnet worden.

Kurz vor der Vergabe des Literatur-Nobelpreises am Donnerstag hat der schwedische Jury-Chef Horace Engdahl in einem Interview pauschale Kritik an der US-Literatur geübt, zu der mehrere der aussichtsreichsten Anwärter gehören. Der Ständige Sekretär der Stockholmer Jury erklärte, Europa sei nach wie vor das "literarische Zentrum der Welt" und die US-Literatur "zu isoliert". Letztere verliere qualitativ durch starke Orientierung am Massengeschmack.

Makoto Kobayashi von der High Energy Accelerator Research Organization (KEK) in Tsukuba, Japan. (Foto: Foto: AFP)

Einzige Frau neben insgesamt zehn männlichen Preisträgern war 2007 die britische Schriftstellerin Doris Lessing, 88, die mit dem Literatur-Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Zu den Favoriten für die diesjährige Auszeichnung werden unter anderem die US-Autoren Thomas Pynchon, 71, und Don DeLillo, 71, sowie Margaret Atwood, 68, aus Kanada gerechnet.

Aus Europa gelten der Italiener Claudio Magris, 69, und der portugiesische Romancier António Lobo Antunes, 66, als aussichtsreiche Kandidaten.

Für den Friedensnobelpreis aus Oslo, der am Freitag verkündet wird, werden die russische Menschenrechtlerin Lida Jusopowa und der in China inhaftierte Dissident Hu Jia als aussichtsreiche Anwärter unter knapp 200 offiziell nominierten Kandidaten genannt. Seit Jahren immer wieder vorgeschlagen ist auch Akltkanzler Helmut Kohl ,78 (CDU). Im vergangenen Jahr teilten sich der frühere US-Vizepräsident Al Gore, 60, und der UN-Klimarat IPCC die Auszeichnung wegen ihrer Aufklärungsarbeit zum globalen Klimawandel.

Die Nobelpreise sind mit zehn Millionen Schwedische Kronen (eine Millionen Euro) je Sparte dotiert.

Den Abschluss der Preisvergaben bildet am Montag, den 13. Oktober, die Auszeichnung für Wirtschaftswissenschaften. Dieser "Preis zum Andenken an Alfred Nobel" wurde 1968 erst nachträglich von Schwedens Reichsbank gestiftet und gilt auch nach dem Verständnis der Stockholmer Nobelstiftung nicht als vollwertiger Nobelpreis. Verliehen werden alle Auszeichnungen traditionell am 10. Dezember, dem Todestag des 1896 gestorbenen Stifters.

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