Medizin:Unsinnige Klinik-Tradition

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Blick in einen Operationssaal des Deutschen Herzzentrums in Berlin. (Foto: dpa)

In deutschen Krankenhäusern gibt es getrennte Operationssäle für septische und aseptische Eingriffe. Aus medizinischer Sicht ist das unnötig.

Von Werner Bartens

Krankenhäuser könnten eine Menge Kosten einsparen, wenn sie auf eine alte Tradition verzichten würden: Die Trennung von septischen und aseptischen Operationssälen, wofür separate Schleusen für das Personal und zusätzliche Räume nötig sind. Die Unfallversicherungsträger verlangen allerdings nach wie vor, dass Kliniken für nicht-kontaminierte und kontaminierte Eingriffe getrennte Operationstrakte bereithalten. In der Praxis ist dies jedoch unnötig, wie ein Bericht in der aktuellen Ausgabe des Deutschen Ärzteblatts zeigt.

Chirurgen um Markus Büchler vom Universitätsklinikum Heidelberg haben die Keimbelastung im Verlauf von 16 septischen und 14 aseptischen Operationen gemessen und keine relevanten Unterschiede festgestellt. Weder in der Raumluft noch an den Wänden konnten während der septischen Operationen mehr Erreger identifiziert werden. Für das Krankenhaus wie die Patientenversorgung hätte die Aufhebung der unnötigen Trennung nützliche Konsequenzen. "Die bessere Auslastung der OP-Kapazitäten und geringere bauliche Investitionskosten ergeben nicht nur finanzielle Vorteile, sondern es würde auch eine flexiblere Planung nach operativer Dringlichkeit statt nach der zeitlichen Abfolge septisch/aseptisch möglich sein", schreiben die Autoren.

Die Körperrasur vor einer OP trägt nachweislich nicht zur Sicherheit der Patienten bei

Zudem habe sich die Basishygiene in den vergangenen Jahrzehnten so stark verbessert, dass allein dadurch die Keimbelastung immer weiter gesenkt werden konnte. In einem begleitenden Kommentar weisen die Hygieneexperten Peter Bischoff und Petra Gastmeier von der Berliner Charité darauf hin, dass es längst erfolgreiche Möglichkeiten gibt, um den Anteil der postoperativen Wundinfektionen weiter zu verringern. Trotzdem wird - vermutlich in der Tradition Robert Kochs - noch erstaunlich oft in Kliniken an medizinischen Gewohnheiten festgehalten, wie etwa der Körperrasur vor einem chirurgischen Eingriff oder eben der Trennung von aseptischen und septischen Operationsbereichen, obwohl diese nachweislich nicht zur Sicherheit der Patienten beitragen.

Manche Rituale muss man nicht verstehen. Schon 2001 hatte der Freiburger Hygieneexperte Franz Daschner festgestellt: "Nirgends sonst in der Welt ist jemals eine Trennung von septischen und aseptischen Patienten in Operationsbereichen empfohlen worden und trotzdem war die postoperative Wundinfektionsrate hierzulande nachweislich nicht niedriger." Zu veränderten Vorschriften für die Kliniken hat diese Erkenntnis aber bisher nicht geführt.

© SZ vom 10.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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