Medizin:Masern verboten

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Frankreich führt eine umfassende Pflichtimpfung ein. In Deutschland entscheiden weiterhin die Eltern, ob und gegen welche Erreger sie ihre Kinder immunisieren lassen.

Von Kathrin Zinkant

Die Masern haben Nordrhein-Westfalen weiterhin im Griff: Nachdem bis Ende Mai bereits rund 400 Masernfälle in dem Bundesland gemeldet worden waren, nähert sich die Zahl allmählich der 500-Marke. Bereits im Mai war in Essen eine 37-jährige Frau an den Masern gestorben. Ein Ende der Epidemie ist derzeit nicht in Sicht. Eine wirksame Impfung gibt es zwar. Aber die Entscheidung, sich impfen zu lassen, ist in Deutschland freiwillig.

Manch Infektionsmediziner wird deshalb mit Neid nach Frankreich schauen: Das Land hat vor wenigen Tagen beschlossen, die Impfung von Kleinkindern gegen elf Erreger ab 2018 zur Pflicht zu erheben. Die Impfpflicht ist nicht neu für die Franzosen, gegen Kinderlähmung, Diphtherie und Wundstarrkrampf sind Immunisierungen bereits obligatorisch. Nun kommen jedoch acht weitere Impfungen als verpflichtend hinzu, die bislang lediglich empfohlen werden - darunter auch die Masern. Wie die Zeitung Libération berichtet, sagte Premier Édouard Philippe vor der Nationalversammlung, man dürfe nicht zulassen, dass "in der Heimat von Pasteur" noch Kinder an Masern sterben. Louis Pasteur gilt als Pionier des Impfprinzips.

Gegen wie viele Krankheiten sollte man impfen? Drei, elf oder 13?

Frankreich ist damit das zweite europäische Land, das eine umfassende Impfpflicht ausspricht. Im Mai hatte Italien eine ähnliche Regelung beschlossen, dort müssen die Kinder nun gegen zwölf Erreger geimpft sein. Deutschland dagegen ist von einem solchen Schritt weit entfernt. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe hält die Auflagen beim Impfen für "streng genug". Neben der seit 2015 bestehenden Möglichkeit, ungeimpfte Kinder und Jugendliche aus der Kita oder Schule vorübergehend auszuschließen, müssen Kindertagesstätten den Gesundheitsbehörden künftig melden, wenn sich Eltern einer Impfberatung verweigern. Das entsprechende Gesetz wurde Anfang Juni vom Bundestag verabschiedet. Grundsätzlich bleibt es aber bei der Freiwilligkeit von Impfungen. Die Ständige Impfkommission des Robert Koch-Instituts (Stiko) empfiehlt, Kinder im Vorschulalter gegen 13 Erreger zu immunisieren. Das größte Sorgenkind bleibt die Masernimpfung: In 14 Bundesländern wird die Impfquote von 95 Prozent verfehlt. In Baden-Württemberg liegt sie sogar weit unter 90 Prozent. Da die Impfung bei Kindern meist im Rahmen einer Dreifachimpfung erfolgt, sehen die Quoten für Mumps und Röteln genauso schlecht aus.

Für viele Eltern ist die große Zahl empfohlener Impfungen ein Problem. Sie sorgen sich, dass das noch schwache Abwehrsystem der Kinder überfordert würde. "Fakt ist, dass die Kinder heutzutage gegen mehr Krankheiten geimpft werden als früher", heißt es dazu auf der Website des Robert-Koch-Instituts. Der Impfschutz werde aber sehr viel milder herbeigeführt als früher. Die Zahl der verschiedenen Antigene in den Vakzinen habe sich deutlich verringert, im Keuchhustenimpfstoff zum Beispiel von 3000 auf 150. Als Antigene bezeichnen Infektiologen die Merkmale eines Krankheitserregers, auf die das Immunsystem reagiert - und die es sich auch dauerhaft merkt.

In Italien dürfen ungeimpfte Kinder nicht in die Schule

Zumindest im Fall der Masern ist dieser Schutz auch erwünscht. Umfragen zufolge sprechen sich gut drei Viertel der Deutschen sogar für eine Impfpflicht aus. Wie rigoros aber ließe sich eine solche Pflicht durchsetzen?

In Italien demonstriert die Regierung Härte: Kinder, die vor der Einschulung nicht alle vorgeschriebenen Impfungen erhalten haben, dürfen nicht in die Schule. Den Eltern drohen hohe Bußgelder. Wie weit die Franzosen mit der Definition des Obligatorischen gehen, ist noch unsicher. Die französische Gesundheitsministerin Agnès Buzyn kündigte an, Ausnahmeregelungen zu erarbeiten. "Das Ziel ist nicht, Geldstrafen zu verhängen, sondern pädagogisch vorzugehen", erklärte die Ärztin.

© SZ vom 10.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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