Linguistik:Ewige Worte

Eine Einwohnerin in ihrem Dorf auf Éfaté, der bevölkerungsstärksten der insgesamt 83 Inseln Vanuatus. (Foto: Jeremy Piper/AFP)

Jahrtausendelang wanderten neue Bewohner im Südsee-Paradies Vanuatu ein. Die Urbevölkerung ist längst verschwunden. Doch bis heute hält sich dort die Sprache jener ersten Siedler, die sich vor 3000 Jahren niederließen.

Von Jan Schwenkenbecher

138 verschiedene Sprachen werden auf dem Inselstaat Vanuatu im Südpazifik gesprochen - die höchste pro Kopf-Sprachdichte der Welt. Nahezu alle dortigen Idiome gehören zur austronesischen Sprachfamilie, die vor etwa 3000 Jahren nach Vanuatu gelangte, als erste ostasiatisch-stämmige Siedler anlandeten. Wie ein internationales Forscherteam des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte (MPI-SHH) nun festgestellt hat, haben später vom nahe gelegenen Bismarck-Archipel kommende Neuankömmlinge das Erbgut der ersten Siedler bis heute nahezu vollständig verdrängt. Doch deren Sprache blieb. Ein solcher Austausch der Bevölkerung bei dem die Sprache bleibt, sei extrem selten, wenn nicht sogar beispiellos, schreiben die Wissenschaftler im Fachjournal Nature Ecology & Evolution.

Wird durch Migration eine Bevölkerung genetisch ausgetauscht, was in der Menschheitsgeschichte öfter vorkam, ändert sich meist auch die Sprache. So gab es im Zeitraum von 6 000 v. Chr. bis 3000 v. Chr. vermutlich eine massive, aus dem Osten kommende Migrationswelle nach Europa, welche auf dem Kontinent die indogermanische Sprachfamilie etablierte. "Historische Bevölkerungswechsel sind oft mit technologischen, demografischen oder kulturellen Vorteilen verbunden", sagt die Anthropologin Heidi Colleran vom MPI-SHH, die an der Vanuatu-Studie beteiligt war. "Das bringt auf natürlichem Weg auch einen Sprachwechsel mit sich." Dazu gebe es Fälle, in denen kleine, mächtige Eliten einer Bevölkerung ihre Sprache oder Kultur überstülpten, ohne dass es demografische Veränderung gibt.

Warum also blieb auf Vanuatu die vor Urzeiten eingeführte Sprachfamilie erhalten? Wie die Forscher vermuten, lag dies daran, dass die Migration nach Vanuatu schleichend stattfand - über mehrere Tausend Jahre hinweg trafen die neuen Bewohner ein.

© SZ vom 28.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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