Korkiger Wein:Geschmackskiller im Kellerbalken

Kunststoffverschlüsse haben den Korkgeschmack im Wein nicht beseitigt. Denn oft liegt die Ursache nicht im Naturkork selbst.

Susanne Klaiber

Chemie-Ingenieur Horst Rudy vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum in Rheinland-Pfalz ist so einiges gewohnt, wenn es um missratene Weine geht.

Korkhersteller bei Weinmesse

Korkhersteller bei Weinmesse Traditionelle Weinkorken aus Kork liegen am Stand einer Produktionsfirma auf der Weinmesse Intervitis am Freitag (14.05.2004) in den Messehallen auf dem Stuttgarter Killesberg in einer Vitrine. Durch neuartige Verschlüsse für Weinflaschen aus Glas und Plastik ist die Diskussion um das Naturprodukt Kork als Verschluss für Weine aufgrund seiner Anfälligkeit neu entfacht. 576 Aussteller aus 26 Nationen präsentieren bis zum 15.05.2004 auf dem Stuttgarter Killesberg ihre Produkte zum Weinanbau und Weinausbau. Foto: Bernd Weißbrod dpa/lsw

(Foto: ag.dpa)

Schließlich erstellt er sogar Gutachten, damit Gerichte klären können, ob der Winzer den Tropfen versaut hat oder ein anderer in der Produktionskette. Aber ein 2003er Riesling Spätlese ist sogar ihm besonders im Gedächtnis geblieben: "Der Wein hat unglaublich gestunken." Modrig und faulig.

Jede weitere Probe wäre zwecklos gewesen, weil Rudy keine Nuancen mehr wahrnehmen konnte. Also hat er die Flasche zugemacht, den Rest aus dem Probierglas im Nebenraum entsorgt und die Fenster aufgerissen. Der Naturkork hatte den guten Tropfen gründlich verdorben.

Die neuen Kunststoffkorken und Schraubverschlüsse, so hatte man sich erhofft, würden Weintrinker in Zukunft vor solchen Geschmacks-Katastrophen bewahren. Doch das war ein Irrtum: "Wir beobachten auch mit steigendem Marktanteil von alternativen Verschlüssen so viele Korktöne wie früher, als fast ausschließlich Naturkork verwendet wurde", sagt der Önologe Volker Schäfer von der Forschungsanstalt Geisenheim in Hessen.

Der Fehlgeschmack stammt nicht vom Naturkork allein, Schuld sind vielmehr verschiedene Chemikalien, sogenannte Anisole. Die können über den Kork in den Wein gelangen, aber - wie man mittlerweile weiß - auch auf anderen Wegen.

Mitte der 1980er Jahre hatten Forscher den ersten Übeltäter identifiziert: Trichloranisol (TCA). Es entsteht, wenn Mikroorganismen phenolhaltige Stoffe wie Holz oder Naturkork in Gegenwart von Chlorverbindungen zersetzen.

Diese können zum Beispiel aus Reinigungsmitteln stammen, wie sie früher etwa zum Bleichen und Desinfizieren der Naturkorken verwendet wurden. Den Fehlgeschmack bekamen die Winzer damals also gleich mit den Korken geliefert.

Oft steckt das Problem in den Holzbalken

Die Chlor-Behandlung haben die Korkproduzenten inzwischen aufgegeben und die Qualität der Korken ist besser geworden. "Ein Restrisiko aber bleibt", sagt Rudy, der sich seit 15 Jahren mit dem Thema beschäftigt.

"Naturkork garantiert ohne Korkgeschmack wird es niemals geben." Denn selbst Regen- oder Leitungswasser kann die Korkeichen kontaminieren.

Zudem rechnen sich gute Naturkorken ohnehin nur bei besseren Weinen, denn ein solcher Verschluss kostet bis zu zwei Euro.

"Wenn die ganze Flasche Wein nur soviel kostet, kann man sich ausrechnen, dass es da ein Problem gibt", sagt Frank Hesford von der staatlichen Schweizer Forschungsanstalt Agroscope.

Außerdem bleiben weitere Kontaminationsgefahren: In vielen Weinkellern steckt das Problem in den Holzbalken und Paletten und nimmt von dort seinen Ausgang. Experten nennen den so entstandenen Geruch deshalb auch "Kellerton".

Holz wurde in den 1950er und 1960er Jahren oft mit einem Fungizid namens Raco behandelt, das die Chlorverbindungen Pentachlorphenol (PCP) und Tetrachlorphenol (TeCP) enthielt.

Obwohl das Mittel eigentlich die Mikroorganismen töten sollte, überlebten doch einige der Keime und verwandelten die Chlorverbindungen zu Substanzen, die ähnlich müffelten und schmeckten wie das TCA: Tetrachloranisol (TeCA) und Pentachloranisol (PCA).

Kampf gegen Altlasten

Raco ist wegen des Verdachts einer krebserregenden Wirkung seit 1989 verboten, doch ein weiteres Fungizid und Flammschutzmittel, wirkt genauso:

Das sogenannte Tribromphenol (TBP) versteckt sich in Karton, Mauerfarben und Kunststoffen und wird zu stinkendem Tribromanisol (TBA) umgebaut. All diese Stoffe sind schwer in den Griff zu bekommen, weil sie den Wein auch über die Luft kontaminieren können.

"Besonders häufig passierte das in Australien, weil da Anfang der 1980er Jahre viele Kellereien mit viel Holz gebaut wurden, damit es hübscher aussah", sagt Schäfer. Amerikanische Kellereien mussten kontaminierte Keller ganz aufgeben. Und in Deutschland kämpfen Winzer heute noch mit den Altlasten

Bereits winzige Mengen dieser Störstoffe können einen Wein ruinieren: Menschen schmecken bereits ein Milliardstel Gramm TCA in einem Liter Flüssigkeit, vielleicht sogar weniger.

"Das ist so, als würde man zwei Stücke Würfelzucker im Bodensee auflösen und dann merken, dass das Wasser süß schmeckt", sagt der Schweizer Experte Hesford.

Da kann man sich vorstellen, wie schrecklich der Wein geschmeckt haben muss, den Rudy probiert hat: Der enthielt etwa 68 Nanogramm TCA, "ein Rekordgehalt und eine absolute Ausnahme", sagt er.

Im Fass schmeckte der Wein noch prima

Von welcher Schwelle an ein Wein als verdorben wahrgenommen wird, hängt jedoch auch vom Verkoster und vom Wein ab. Am empfindlichsten ist der Riesling, weiße Aromasorten wie Gewürztraminer oder Rotwein überdecken den Geruch eher.

Oft ist kaum herauszufinden, wie sich der Gestank in die Weinkeller schleicht. Schäfer etwa wurde kürzlich zu einem verzweifelten Winzer gerufen, der zuvor nie Probleme gehabt hatte, aber dessen Weißwein nun unerklärlicherweise verdorben war.

Im Fass schmeckte der Wein noch prima, nach der Abfüllung aber nicht mehr, obwohl Kunststoffkorken verwendet wurden. Schäfer entdeckte, dass im Füllraum Holzbauteile und Putz mit TCA verschmutzt waren und die Luft kontaminierten. Bisher war das kein Problem gewesen - bis der Winzer eine neue Heizung einbaute.

Dadurch wurde der Raum wärmer, das Holz gaste stärker aus. Der Dampf, mit dem der Winzer die Abfüllanlage sterilisierte, begünstigte das Wachstum von Pilzen. Eine fatale Mischung.

Manchmal reicht es schon, wenn der Winzer einen Flaschenverschluss oder einen Kunststoffschlauch zum Umfüllen benutzt, der auf einer behandelten Palette transportiert wurde. Sogar durch dünnes Verpackungsplastik dringen die Chemikalien.

Sicher sind nur mit Aluminium beschichtete, dickere Tüten. Noch besser wäre es, dem Gestank von Anfang an vorzubeugen, durch Vorsicht beim Bau und bei der Ausstattung der Weinkeller, durch penible Hygiene im gesamten Produktionsprozess, damit wenig Mikroorganismen überleben, sowie durch gutes Lüften.

Niemand weiß genau, welcher Anteil der jährlichen Weinproduktion auf der Welt vom Korkgeschmack oder Kellerton befallen wird, Schätzungen reichen von 0,5 bis sieben Prozent. Beim Deutschen Weininstitut, der Marketingorganisation der deutschen Weinwirtschaft, schätzt man, dass allein in Deutschland Wein im Wert von bis zu 100 Millionen Euro jährlich ein Fall für den Ausguss sein könnte.

Schlimmer als ein ausgeprägter Korkschmecker sind laut Rudy allerdings Fälle, in denen der Gehalt an Anisolen unter der Wahrnehmungsschwelle bleibt. Diese Weine schmeckten dann "wenig fruchtig, verschlossen und stumpf", ohne dass man weiß warum.

Wenn die Winzer jedoch sicher sind, was ihren Wein verhunzt, versuchen sie manchmal, die Geschmackskiller herauszufiltern. Früher benutzte man dazu Aktivkohle, die aber auch Aromastoffe entfernte. Etwas selektiver, obgleich nicht völlig aromaschonend, lässt sich der Wein mit Kunststoffen filtern, weil sich darin die Anisole gut lösen.

Schäfer schwärmt von einem Filter mit Aluminiumsilikat, der effektiv sein soll, ohne die erwünschten Aromen zu stark zu beeinträchtigen. Er ist in der EU allerdings noch nicht zugelassen.

Chemie-Ingenieur Horst Rudy hat sogar einen Tipp, wie man einen etwas fehlschmeckenden Wein mit Hausmitteln verbessern kann:

Man nehme eine Verpackungsfolie aus Polyethylen aus dem Supermarkt, stopfe möglichst viel davon in ein möglichst volles Glasgefäß mit Wein und verschließe es mit einem Glasstopfen. Lässt man den Wein eine Weile stehen, soll er danach angeblich fruchtiger schmecken.

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