Klonfälscher:Dieser Hund ist eine Kopie

Ein Herz für Wildtiere: Hwang Woo Suk mit Klon-Kojote

Ein Herz für Wildtiere: Hwang Woo Suk mit Klon-Kojote

(Foto: Imago Stock&People)

Vor acht Jahren wurde Woo Suk Hwang als Fälscher enttarnt; seine Stammzellen aus geklonten menschlichen Embryos waren erfunden. Seither kopiert der gelernte Tierarzt Schoß- und Polizeihunde.

Von Christopher Schrader

Zehn Jahre ist der große Auftritt nun her, acht Jahre liegt der schändliche Abgang zurück. Im Februar 2004 war der Südkoreaner Woo Suk Hwang über Nacht zum Star der Wissenschaft geworden, als er nach eigenen Angaben erstmals menschliche Embryos geklont und daraus Stammzellen gewonnen hatte. Im Januar 2006 musste er zugeben, die Daten seien fabriziert worden. Er wurde gefeuert, die Studien widerrufen, seine Abteilung abgewickelt. Als einzige unbestrittene Leistung blieb dem Verfemten damals, immerhin als Erster einen Hund geklont zu haben. Und genau damit verbringt der koreanische Forscher, ein gelernter Tierarzt, heute einen Gutteil seiner Tage: Er erzeugt für Tierfreunde und die Polizei genetische Kopien von geliebten Schoß- und begabten Spürhunden.

Dieses Bild soll nun auch die Öffentlichkeit sehen. Hwang hatte im vergangenen Dezember Reporter in sein Institut eingeladen, die Sooam Biotech Research Foundation in Guro bei Seoul; Journalisten der Wissenschaftsmagazine Science und Nature waren dabei. Sie sahen ihm beim Einpflanzen geklonter Hundeembryos und bei Kaiserschnitten an Hündinnen zu, die künstlich erzeugten Nachwuchs ausgetragen hatten. Hwang lächelte den Besuchern zu, erklärte per Mikrofon die Eingriffe, und berichtete stolz, er habe nach einer Komplikation drei geklonte Welpen gerettet, so beschreibt es Nature. Demnach schüttelte er in der Kantine Reportern sogar die Hand. Fragen aber, zur aktuellen Arbeit oder zu seiner Vergangenheit, beantwortete er nicht.

Die aktuelle Forschung erklärten Mitarbeiter des Sooam-Instituts, zum Beispiel In Sung Hwang, der mit seinem Chef nicht verwandt ist. Er erzählte dem Science-Reporter vom Missyplicity-Projekt, das 2007 abgeschlossen wurde. Der amerikanische Milliardär John Sperling hatte Forschungsgeld bereitgestellt, um "Missy", den 2002 verstorbenen Hund seiner Lebensgefährtin, wieder erstehen zu lassen. Die Südkoreaner bekamen eingefrorene Gewebeproben von Sperling. "Gleich die erste Leihmutter wurde trächtig", sagte In Sung Hwang. Im Dezember 2007 kam ein Welpe mit "Missys" Erbgut zur Welt.

Hunde zu klonen hatte sich bis zu Woo Suk Hwangs erstem Erfolg zwei Jahre zuvor als kompliziert erwiesen - jedenfalls als deutlich schwieriger, als Schafe oder Kühe zu kopieren. Das Erzeugen eines Hundeembryos folgte zwar grundsätzlich dem gleichen Verfahren, mit dem der Schotte Ian Willmut einst das Schaf "Dolly" erschaffen hatte. Einer Eizelle wurde ihr Kern entfernt und durch das Erbgut einer Zelle des zu klonenden Tiers ersetzt. Eine Leihmutter trug dann den so geschaffenen Embryo aus. Bei Hunden brauchten die Forscher aber vor allem ein gutes Timing; die ursprünglichen Eizellen mussten zu einem anderen Zeitpunkt als bei Weidetieren geerntet und nach der Manipulation anders eingepflanzt werden.

Inzwischen hat Hwangs Sooam-Forschungsstiftung um die 200 Schoß- und Haushunde geklont, für 100.000 Dollar pro Stück. Eine große Anzahl kopierter Tiere hat auch die südkoreanische Polizei bekommen. Diese Zusammenarbeit hatte mit dem amtlichen Spürhund "Quinn" begonnen. Das Tier hatte im März 2007, vom Bomben- zum Leichenhund umgeschult, auf der Insel Jeju binnen einer Stunde die sterblichen Überreste eines entführten neunjährigen Mädchens gefunden. Darum bat der dortige Polizeichef Woo Suk Hwang, das Tier zu klonen.

Forschungsaufträge würde der Klonfälscher Woo Suk Hwang in den USA wohl keine mehr bekommen. Aber seine geklonten Polizeihunde Trustt, Solace, Prodigy, Valor and Dejavu sind in Los Angeles willkommen.

Forschungsaufträge würde der Klonfälscher Woo Suk Hwang in den USA wohl keine mehr bekommen - aber seine geklonten Polizeihunde Trustt, Solace, Prodigy, Valor and Dejavu waren in Los Angeles willkommen

(Foto: AFP)

Fünf Kopien kamen bald zur Welt, die alle das Training bestanden und in den Polizeidienst übernommen wurden. Insgesamt schafften das 90 Prozent der geklonten Tiere, sagte bei dem Pressetermin Yongsuk Cho, Verwaltungschef der Sooam-Forschungsstiftung den Science-Reportern; von gezüchteten Welpen sei nur ein Drittel brauchbar. Inzwischen kommen Polizisten aus dem ganzen Land, auch aus der 330 Kilometer entfernten Hafenstadt Busan, um kopierte Hunde zu bekommen. Selbst in Amerika werden die Tiere geschätzt.

Doch das Sooam-Institut arbeitet nicht nur mit Hunden. Die Forscher haben Wölfe und Kojoten erzeugt, die von Hundeleihmüttern ausgetragen wurden; zurzeit versuchen sie sich an einem bedrohten afrikanischen Wildhund. Auch Kühe haben sie erzeugt, die mit ihrer Milch das Protein Interferon liefern, und mit veränderten Schweinen wird experimentiert, deren Organe Menschen eingepflanzt werden sollen. In Zusammenarbeit mit Nordkorea planen die Wissenschaftler, den Klon eines ausgestorbenen Wollmammuts zu erzeugen. Die Chancen dafür schätzen Hwangs Mitarbeiter jedoch als gering ein.

Nachwuchsforscher sehen über Woo Suk Hwangs Vergangenheit hinweg

Immerhin lockt die Arbeit am Institut inzwischen Nachwuchsforscher an, die über Woo Suk Hwangs Vergangenheit hinwegsehen. In Sung Hwang hat dort im Jahr 2010 angefangen, seine Kollegin Hanna Heejin Song 2012. Beide haben im Ausland studiert, aber "in Korea geht das Klonen von Tieren wirklich ab. Warum soll ich also nicht wieder in meinem eigenen Land arbeiten?", fragte Song laut Science. Das Team produziert viele wissenschaftliche Veröffentlichungen; auch begutachtete Journale akzeptieren inzwischen Studien, auf denen Woo Suk Hwang firmiert.

Dass der Fälscher jemals wieder so weit kommen würde, hätte im Januar 2006 niemand gedacht. Damals hat ihm der Präsident der National-Universität in Seoul (SNU) bescheinigt, einen "nicht abwaschbaren Schandfleck auf der Wissenschaft und dem ganzen Land" hinterlassen zu haben. Da hatte sich gerade bestätigt, dass Hwangs spektakuläre Veröffentlichungen auf erfundenen Daten beruhten und dass elf Stammzelllinien von Patienten mit Rückenmarkschäden, die er 2005 beschrieben hatte, gar nicht existierten. Zudem hatte Hwang auf ethisch fragwürdige Weise menschliche Eizellen von seinen Mitarbeiterinnen eingefordert und verarbeitet.

Die Veröffentlichungen über die klonierten menschlichen Stammzellen waren damals in Science erschienen und mussten zurückgezogen werden. Die Konkurrenten von Nature, die Hwang mächtig umworben hatten und sich mit dem geklonten Hund zunächst eher abgespeist fühlten, mischten in der Aufklärung des Skandals ordentlich mit. Kein Wunder, dass beide Magazine nun die Gelegenheit zu einem Besuch bei Hwang genutzt und ihre Berichte im direkten Wettbewerb fast gleichzeitig veröffentlicht haben.

Der entehrte Forscher hatte Anfang 2006 seinen Posten an der SNU verloren, Gerichtsverfahren 2009 und 2010 fanden ihn der Unterschlagung von Forschungsgeldern schuldig. Schon im Juli 2006 aber rückte Hwang an die Spitze der neu geschaffenen Sooam Biotech Research Foundation. Das Geld dafür hatten private Spender aufgebracht. Inzwischen besitzt das Institut ein sechsstöckiges Gebäude, 40 Mitarbeiter und ein Jahresbudget von vier Millionen Dollar, auch aus staatlichen Forschungsmitteln.

Doch Woo Suk Hwang träumt von mehr, berichten sein Mitarbeiter. Er möchte wieder mit menschlichen Eizellen arbeiten. Das südkoreanische Gesundheitsministerium hat seine Anträge aber bereits zweimal abgelehnt. Der öffentliche Aufruhr wäre wohl zu groß. "Ich bezweifele stark, dass Hwang den Respekt der wissenschaftlichen Gemeinde zurückgewinnen könnte, auch wenn er Erfolge beim Klonen von Tieren hat", sagte Insoo Hyun, Bioethiker an der Case Western Reserve University in Cleveland, Ohio, zu Science. Und der deutsche Stammzellforscher Hans Schöler vom Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin in Münster sagt: "Wenn du einmal Daten fabriziert hast, wie könnte man wissen, dass du es nicht wieder tust?"

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