Klima und Linguistik:Wie das Wetter die Sprache prägt

In Tonsprachen wie dem Chinesischen hat ein Wort je nach Aussprache ganz unterschiedliche Bedeutungen. Forscher glauben nun, dass feuchtes Klima die Entwicklung solcher Sprachen ermöglichte.

Von Andrea Hoferichter

Hohe Luftfeuchtigkeit fördert nicht nur das Wachstum vieler Pflanzen, sondern auch die Entwicklung nuancenreicher Tonsprachen wie Hochchinesisch, Thai oder manche Maya-Sprachen. Zu diesem Schluss kommen Wissenschaftler der University of Miami, der Leipziger Max-Planck Institute (MPI) für evolutionäre Anthropologie beziehungsweise für Mathematik in den Naturwissenschaften und des MPI für Psycholinguistik, Nijmegen. Tonsprachen verleihen einzelnen Wörtern allein durch die Betonung verschiedene Bedeutungen. Das chinesische Wort "ma" etwa kann Mutter, Hanf, schimpfen oder putzen heißen, um nur einige Übersetzungsmöglichkeiten zu nennen.

"Es gibt zu viele Unbekannte"

"Tonsprachen haben sich vor allem in feuchten Klimazonen entwickelt, etwa in Südostasien, in Westafrika oder im Amazonasgebiet", berichten die Forscher im Fachmagazin PNAS (online). Dagegen stellten Wüsten oder Klimazonen mit kältebedingt trockener Luft eine Barriere für die Ausbreitung dieser Sprachen dar. Die Wissenschaftler untermauern ihre These mit Daten und Simulationen zu mehr als 3700 Sprachen. Der biophysikalische Hintergrund ist zudem durch zahlreiche Studien belegt. Danach erschweren trockene Stimmbänder die Artikulierung und damit feinere Akzentuierungen der Tonlage und Lautstärke.

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Auch die Karen in Thailand sprechen Tonsprachen.

(Foto: Pornchai Kittiwongsakul/AFP)

Horst Müller, Neurolinguist an der Universität Bielefeld, glaubt dennoch nicht an einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Klimazonen und der Ausbildung von Tonsprachen. "Es gibt zu viele Unbekannte", sagt er. Die tonsprachenreiche Niger-Kongo-Region zum Beispiel habe erst seit etwa 60 000 Jahren ein feuchtes Klima. Die Tonsprachen könnten seinen Untersuchungen zufolge aber schon vor 200 000 Jahren entstanden sein, als Zentralafrika eher wüstenähnlich war.

Auch die Autoren der PNAS-Studie räumen ein, dass noch Forschungsbedarf besteht. In einem Punkt sind sie aber sicher: Aus den Befunden lässt sich keine Reisewarnung ableiten. Tonsprachler müssten selbst in der Tundra Sibiriens nicht um ihre Kommunikationsfähigkeit fürchten, schreiben sie.

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