Kernphysik:Ein Auge für den Reaktor

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Um Atomanlagen wie im Iran zu überwachen, schlagen Physiker eine ungewöhnliche Methode vor. Ein Detektor soll Neutrinos aus dem Inneren von Reaktoren messen und feststellen, wenn darin Spaltmaterial hoch angereichert wird.

Von Robert Gast

Während die Verhandlungen um das iranische Atomprogramm in den vergangenen Monaten zaghafte Fortschritte machten, tüfteln Physiker Ideen aus, wie man die fraglichen Anlagen in Zukunft überwachen könnte. In einem Aufsatz in Physical Review Letters stellen einige der Forscher nun das Konzept einer Apparatur vor, mit der sich angeblich besser als bisher prüfen ließe, ob in einer Anlage wie dem iranischen Schwerwasserreaktor in Arak waffenfähiges Plutonium hergestellt wird.

Das Team um den Münchner Physiker Patrick Huber von der US-Universität Virginia Tech will einen Hightech-Container zu einem Detektor ausbauen und als Plutonium-Spürnase einsetzen. Dieser wäre zehn Tonnen schwer, würde vermutlich mit einem speziellen Mineralöl gefüllt sein und stünde direkt neben dem Reaktorgebäude.

Mit dem Detektor ließen sich sogenannte Antineutrinos auffangen, die in jedem Atomreaktor entstehen. Pro Sekunde ballert ein kleiner Reaktor wie Arak ungefähr vier Trillionen dieser Elementarteilchen in alle Himmelsrichtungen. Im Tank installierte Elektronik würde pausenlos die Zahl und die Energieverteilung der Teilchen berechnen. Das soll Rückschlüsse darauf erlauben, wie viel Uran in den Brennstäben in waffenfähiges Plutonium-239 umgewandelt wurde.

Gegenwärtige Überwachungsinstrumente könne man austricksen, argumentieren die Physiker. Etwa indem man stark angereicherte Brennstäbe immer dann aus dem Reaktor schaffe, wenn sich Kontrolleure anmelden. Mit dem Neutrino-Detektor soll das nicht mehr möglich sein. Er könnte auch Monate später noch lückenlos nachvollziehen, wie lange, wie stark angereicherte Brennstäbe im Reaktor waren.

Ganz neu ist die Idee nicht. Bereits 1988 hat ein sowjetischer Forscher das Prinzip im Labor erprobt. In den vergangenen Jahren hatten Physiker sogar davon geträumt, mit einem Tanker im persischen Golf Atomreaktoren im Nahen Osten zu überwachen. Nun wird die Idee bodenständiger. Ob sie je zum Einsatz kommt, muss sich aber noch zeigen. Die Autoren der Studie räumen selbst ein, dass es noch technische Hürden gibt. Zwar nutzen Forscher ähnliche Detektoren bereits, um die Physik von Neutrinos zu erforschen. Aber für den Einsatz im Iran sei die Elektronik noch nicht genau genug.

Anmerkung: In einer früheren Version des Textes hieß es, der Detektor würde mit zehn Tonnen flüssigem Gadolinium gefüllt, einem seltenen, giftigen Element. Gadolinium wäre jedoch nur in kleinen Mengen in der Detektorflüssigkeit enthalten.

© SZ vom 28.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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