Kampf gegen Weltraumschrott:Müllabfuhr im All

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Tausende größerer Trümmer von Satelliten oder Raumschiffen umkreisen die Erde - sie stellen eine ernsthafte Bedrohung dar. Experten zerbrechen sich den Kopf darüber, wie der Weltraumschrott entsorgt werden kann.

Christopher Schrader

Der 15. August 2007 sollte ein großer Tag für Rick Mastracchio werden. Der Nasa-Astronaut stieg zum Weltraumspaziergang aus der internationalen Raumstation ISS. Dann meldete er einen Riss im Handschuh, und die Bodenkontrolle beorderte ihn zurück.

Gefährliche Trümmer: eine Computersimulation der Esa zeigt Weltraumschrott in der erdnahen Umlaufbahn. (Foto: Foto: AP)

"Ein kleines Stück Weltraumschrott hatte einen Krater mit scharfen Kanten in einen Haltegriff geschlagen, daher kam der Riss", sagt Eric Christiansen von der Nasa. Erst später habe sich gezeigt, dass keine akute Gefahr bestand: Drei der fünf Lagen im Handschuh waren noch intakt.

Astronauten und Satelliten sind von Weltraumschrott mittlerweile ernsthaft bedroht. 13.000 Trümmer von mehr als zehn Zentimetern Größe umkreisen die Erde, darunter sind nur etwa 900 funktionsfähige Raumschiffe, beschreibt Heiner Klinkrad das Problem; er leitet bei der europäischen Weltraumagentur Esa das Büro für Weltraumschrott und hat in dieser Woche einen internationalen Kongress in Darmstadt organisiert.

Die meisten Trümmer seien auf wenigen Bahnen konzentriert. "Das ist ein Problem, aber auch eine Chance." Es könnte die Möglichkeit bieten, mit einer Art Müllabfuhr im Orbit gezielt gegen den Schrott vorzugehen. Aber es birgt auch die Gefahr, dass sich die Fragmente vermehren. "Die Bruchstücke zerreiben sich gegenseitig zu immer mehr, immer kleineren Teilen", warnt Klinkrad.

Bei den Geschwindigkeiten im Weltraum kann schon eine verlorene Schraube einen Satelliten zerstören. Toshiya Hanada von der Universität Kyushu hat im Labor mit einer Hochgeschwindigkeits-Kanone bereits sieben Test-Satelliten zerschossen und die Trümmer katalogisiert. Ein nur 15 Zentimeter großes Raumschiff zersplittert in 1500 Teile, wenn eine Aluminiumkugel mit orbitalem Tempo aufprallt, hat Hanada festgestellt.

Die Forscher in Darmstadt haben darum beraten, wie sich das Problem wenigstens eindämmen lässt. Passiert nichts, so rechnet es Benjamin Bastida Virgili von der Esa vor, werden im Jahr 2200 statt 13.000 fast eine Million größere Bruchstücke den erdnahen Weltraum verschmutzen.

Selbst wenn die Menschheit sofort auf die Raumfahrt verzichtet, auf Wetterberichte, Fernsehen, Telefon und Navigation mit Satelliten, entstehen in den kommenden Jahrhunderten mehr neue Bruchstücke als in die Atmosphäre sinken und verglühen.

Griff mit der Zange

Als erste Maßnahme für mehr Weltraumhygiene empfehlen die Experten die geordnete Entsorgung ausgedienter Satelliten und Raketenteile. Aus den geostationären Orbits 36.000 Kilometer über dem Äquator müssen sie nach oben auf sogenannte Friedhofsbahnen geschossen werden.

Schon 2010 plant ein europäisches Firmenkonsortium, eine Art Reparatur-Raumschiff zu starten. Das Smart-Olev genannte Gefährt soll Telekommunikationssatelliten ansteuern und dort andocken.

Wenn es deren Steuerung übernimmt, können die Relaisstationen im Orbit noch Jahre lang weiter Telefon- oder Fernsehsignale übertragen, bevor das Smart-Olev sie entsorgt.

Satelliten auf tieferen Umlaufbahnen sollen kontrolliert abstürzen und verglühen. Für diesen Zweck entwickelt EADS-Astrium ein Bremssegel. Es soll sich am Ende einer Mission aufblasen und die Reibung des Raumschiffs in den dünnen Ausläufern der Erdatmosphäre vergrößern. Für das Jahr 2013 sei der erste Testflug geplant, sagt Brice Santerre von dem Raumfahrtkonzern.

Die japanische Weltraumagentur Jaxa setzt auf magnetische Kräfte. Hängt aus einem Satelliten ein blankes Kabel, sammelt sich dort elektrische Ladung. Sobald ein Strom fließt, bildet sich ein Magnetfeld, das die Bewegung des Raumschiffs durch das Magnetfeld der Erde bremst.

Die Japaner wollen in kommenden Jahren ein ein Kilometer langes Kabel im Orbit erproben, das sie bereits im Labor entwickeln. Später soll das Kabel bis zu zehn Kilometer messen. 2018 könnte dann die erste Rakete der kosmischen Müllabfuhr starten.

Ein kleiner Satellit nähert sich nach Jaxa-Plänen einem Stück Weltraumschrott, greift es mit einer Art Zange und fährt dann das Kabel aus. "Innerhalb eines halben Jahres sollten beide zusammen abstürzen", sagt Shin-Ichiro Nishida von Jaxa.

Tatsächlich lässt sich nur mit derart aufwändigen Missionen das Anwachsen des Weltraumschrotts begrenzen, hat Klinkrads Mitarbeiter Virgili ausgerechnet. Dazu müssten die Müllabfuhrflüge bald starten und mindestens fünf der gefährlichsten Stücke Weltraumschrott pro Jahr entsorgen.

"Das ist technisch schwierig und teuer", räumt Klinkrad ein. "Aber wir müssen es tun, um noch teurere Vermögenswerte im All zu schützen."

© SZ vom 03.04.2009/gal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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