HIV-Impfung:Zu früh gefreut

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Die Revolution im Kampf gegen Aids schien zum Greifen nahe. Experten zufolge soll der HIV-Impfstoff aber weniger wirksam sein als zunächst verkündet.

Katrin Blawat

Wer an Impfstoffen gegen Aids-Viren forscht, ist Enttäuschungen gewohnt. Umso größer war bei einigen Wissenschaftlern die Begeisterung, als vor drei Wochen die Ergebnisse einer Studie bekannt wurden, in der eine neue Impfstoffmischung erstmals einen partiellen Schutz vor dem HI-Virus gezeigt hatte. Von den insgesamt mehr als 16.000 freiwilligen Probanden hatten sich 74 in der Kontrollgruppe infiziert, von den Geimpften waren es nur 51. Das entspräche einem Schutz von 31 Prozent.

Wissenschaftler, die nicht an der Studie beteiligt waren, haben Einblick in die Daten bekommen. Ihr Resumee: Statistiken wurden falsch ausgewertet, weil die Forscher offenbar unter großem Druck standen. (Foto: Foto: IAVI/ddp)

Reiner Zufall

Doch offenbar beruht dieser Wert auf einem methodischen Kniff der Studienleiter. Inzwischen haben Wissenschaftler, die nicht an der Studie beteiligt waren, Einblick in die Daten bekommen. Sie kritisieren nun, der Impfschutz liege allenfalls bei 26 Prozent, wenn man die Daten statistisch korrekt auswerte. Damit läge das Ergebnis unterhalb der in Medizinstudien üblichen Signifikanzschwelle. Dass sich die geimpften Versuchsteilnehmer weniger häufig infiziert hatten, könnte mithin reiner Zufall sein.

Die Probanden mussten sich innerhalb eines halben Jahres sechs Mal impfen lassen. Einige von ihnen infizierten sich bereits in dieser Phase, also zu einem Zeitpunkt, an dem sie erst einen Teil der Spritzen erhalten hatten. Diese Probanden sparten die Wissenschaftler bei der Präsentation der Ergebnisse jedoch aus. Im Internet erklärt die verantwortliche Forschungsabteilung der US-Armee dieses Vorgehen damit, dass die "Unterschiede komplex zu erklären" seien.

"Wenn eine Impfung tatsächlich wirkt, sollten die Ergebnisse in beiden Fällen signifikant sein", sagt hingegen der Aids-Forscher Douglas Richman von der Universität von Kalifornien in San Diego. Heftige Kritik üben er und einige seiner Kollegen auch an der Art, wie die Geldgeber der mehr als 100 Millionen Dollar teuren Studie, das US-Militär und die amerikanischen National Institutes of Health, die Ergebnisse präsentiert hatten.

"Forscher standen unter großem Druck"

Auf einer Pressekonferenz verkündeten die beteiligten amerikanischen und thailändischen Wissenschaftler ihre Erfolge, ohne dass andere Forscher die Daten vorab begutachten konnten. "Das entspricht nicht den Standards, die für solche Studien gelten", sagte ein Aids-Forscher, der nicht genannt werden möchte, dem Fachmagazin Science. "Die Forscher standen unter großem Druck, weil die Studie so teuer war", sagt der Regensburger HIV-Experte Hans Wolf.

Inzwischen haben die Wissenschaftler ihre Studie dem Fachjournal New England Journal of Medicine vorgelegt und angekündigt, die Daten am kommenden Dienstag auf einer Fachtagung vollständig offenzulegen. "Die Studie ist sicherlich kein Durchbruch", urteilt Wolf. Es gebe nun aber wenigstens einen Ansatzpunkt.

© SZ vom 15.10.2009/jug - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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