Indien:Rasender Subkontinent

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Geologen rätseln über den Antrieb der indischen Erdplatte. Sie war 80 Millionen Jahre lang nach Norden unterwegs - und zweitweise ziemlich schnell. Nun gibt es eine Theorie, was sie bewegt haben könnte.

Von Robert Gast

Unter den Kontinentalplatten gilt sie als Sonderling. Vor 120 Millionen Jahren zog es die Landmasse, die heute Indien heißt, plötzlich nach Norden. Zuvor war sie Teil des Gondwana-Superkontinents gewesen, der sich damals über die Südhalbkugel ausbreitete. Als Gondwana zerriss, entstanden Afrika, Südamerika und die Antarktis. Den weitesten Weg aber legte Indien zurück. Nach fast 80 Millionen Jahre Reise kollidierte es schließlich mit Eurasien. Ein Crash, der die 40 Millionen Jahre bis heute andauert, wie das Erdbeben in Nepal auf tragische Art und Weise gezeigt hat.

Ein Fließband auf einem anderen Fließband - das macht ordentlich Tempo

Seit Jahrzehnten versuchen Geologen, die eigenwillige Geschichte des indischen Subkontinents zu verstehen. Rätselhaft ist bis heute, wieso er bei seiner Reise nach Norden zwischenzeitlich stark beschleunigte, auf eine Geschwindigkeit von fast 15 Zentimetern pro Jahr - immerhin eineinhalb mal so viel wie die schnellste Kontinentalplatte heute. Amerikanische Geologen haben nun im Fachmagazin Nature Geoscience (online) eine Erklärung vorgestellt. Demnach könnte es eine unbekannte Kontinentalplatte zwischen eurasischer und indischer Platte gegeben haben, die half, Indien nach Norden zu ziehen.

Unter Kontinentalplatten gilt das Recht des Leichteren. Bewegen sich zwei Teile der Erdkruste aufeinander zu, sinkt die schwerere unter die leichtere. Und Erdplatten mit Kontinenten darauf sind regelmäßig leichter als jene, die von Ozean bedeckt sind. Auch den Norden der indischen Kontinentalplatte bedeckte früher ein Ozean. Als die Platte auf das eurasische Festland traf, wurde ihr Rand daher wie von einem Fließband in die Tiefe gezogen, was Indien nach Norden beförderte.

Noch schneller würde dieser Prozess ablaufen, wenn nicht nur eine, sondern zwei solcher Subduktionszonen am Werk gewesen wären, schreibt das Forscherteam um Oliver Jagoutz vom Massachusetts Institute of Technology. Dazu bedurfte es einer zusätzlichen, von Ozean bedeckten Erdplatte. Diese "Kshiroda-Platte" wäre an ihrer Nordgrenze unter Eurasien versunken, andererseits hätte sie im Süden den Nordrand der indische Platte in die Tiefe gedrückt. Statt einem hätten zwei Fließbänder Indien nordwärts gezogen.

So wurde Bewegung des Subkontinents möglicherweise stark angekurbelt, glauben die Forscher. Aber es fehlt noch eine Erklärung für die zwischenzeitliche Beschleunigung. Dabei könnte geholfen haben, dass vor 80 Millionen Jahren, genau zur richtigen Zeit, die arabische Platte von Westen her in das Plattenensemble drückte. Dadurch dürften die Subduktionszonen in ihrer Breite gestaucht worden sein - die Fließbänder mussten weniger Material befördern und liefen schneller. Das zeigen zumindest Computersimulationen.

Damit sei noch kein Nachweis für die Theorie erbracht, sagt Frederik Tilmann vom Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam. Dennoch findet er die Idee interessant, denn bisherige Erklärungsversuche für die Beschleunigung der indischen Platten seien unbefriedigend. Allerdings sei auch denkbar, dass sich Kontinentalplatten manchmal einfach so schneller bewegen als der Durchschnitt. Einfach, weil sie Sonderlinge sind.

© SZ vom 05.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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