Geologie:Nach dem Beben knallt's

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Erst Erdstöße, dann ein vermeintlich erloschener Vulkan, der Lava spuckt. Bisher hielt man die Abfolge für einen Zufall.

Axel Bojanowski

Ein Unglück kommt selten allein - das Sprichwort könnte neuerdings in Geologie-Lehrbüchern stehen. Was den meisten Experten abwegig erschien, haben deutsche Forscher nun offenbar bewiesen: Erdbeben können Vulkane explodieren lassen. Vulkane, die scheinbar erloschen sind, könnten also jederzeit von einem Erdbeben wachgerüttelt werden.

Der indonesische Vulkan Mount Merapi. (Foto: Foto: AFP)

Der umgekehrte Mechanismus ist eigentlich die Regel: Aufströmendes Magma lässt die Erde leicht erzittern. Die Wirkung von Erdbebenwellen auf Vulkane hingegen erschien gering, denn die Energie verliert sich schnell.

Doch immerhin können Bodenwellen nach manchem Starkbeben den Grundwasserstand in Tausenden Kilometern Entfernung schwanken lassen. Um einen Vulkan explodieren zu lassen, wären jedoch gewaltigere Kräfte nötig. Denn selbst die Gezeiten, die für Ebbe und Flut sorgen, haben anscheinend keinen Einfluss auf Vulkane.

Erdbeben ändern die Bodenverhältnisse in der nahen Umgebung nur für Sekunden. Und in größerer Tiefe, wo der Magma-Vorrat eines Vulkans liegt, fallen die Deformationen besonders gering aus.

Statistik versus Zufall

So galt es als Zufall, wenn nach Erdstößen nahe gelegene Vulkane ausbrachen. Beispielsweise ereigneten sich nach besonders starken Beben in Kamtschatka im Jahr 1952, in Chile 1960, in Alaska 1964 und in Indonesien 2004 in der Umgebung deutlich mehr Eruptionen als sonst. Die Aktivität der Vulkane hielt jahrelang an.

Wie sich nun zeigt, war das Aufeinanderfolgen von Beben und Eruptionen wohl kein Zufall. Das haben Thomas Walter vom Geoforschungszentrum Potsdam und Falk Amelung von der Universität Miami anhand statistischer Berechnungen belegt.

Während vor den Beben lange Ruhe herrschte, explodierten danach drei bis acht Feuerberge binnen drei Jahren, schreiben die Geoforscher im Fachblatt Geology (Bd. 35, S. 539, 2007). Das zeitliche Zusammentreffen habe sich so häufig wiederholt, dass es unmöglich Zufall gewesen sein könnte.

Um das Phänomen zu erklären, haben die Vulkanologen berechnet, wie die Erdbeben die Spannung im Untergrund verändert haben. Alle Beben ereigneten sich an so genannten Verschluckungszonen, wo eine Erdplatte unter eine andere abtaucht.

Der Boden weitet sich

Löst sich die Spannung zwischen den Platten, bebt die Erde. Entlang von Verschluckungszonen erheben sich Vulkane, weil die abtauchende Erdplatte in der Tiefe unter hohem Druck ausgequetscht wird - Magma steigt auf.

Nach einem Beben weitet sich das Gestein unter den Vulkanen ein wenig, haben Walter und Amelung ermittelt. Nach dem Beben in Chile 1960 etwa - es war das stärkste je gemessene - dehnte sich der Boden auf einem Kilometer Länge um drei Zentimeter. Dabei werde der Untergrund durchlässiger für Magma und Gase, meinen die Forscher.

Damit es zum Ausbruch komme, bedürfe es einer fatalen Kettenreaktion, sagt Thomas Walter: Der Aufstieg der Gase erhöht stetig den Druck im Magma - vergleichbar einer Sprudelflasche, die geschüttelt wird. Je gasreicher das Magma ist, umso leichter wird es und quillt empor.

Chile bedroht

Die Sammlung von gasreichem Magma erhöht den Druck im Untergrund. Wird der Druck zu groß, bricht der Vulkan aus. Zwei Tage nach dem Beben am 22. Mai 1960 vor der Küste Chiles etwa brach der 150 Kilometer entfernt gelegene Vulkan Cordon aus, weitere vier Vulkane folgten einige Monate später.

Nach den untersuchten Starkbeben wurden vor allem Vulkane aktiv, die lange geschlafen hatten. Die Erklärung dafür sei wohl, dass sich bei ruhigen Vulkanen große Mengen Magma und Gase angestaut hätten.

So könnte sich dort nach einem Beben schnell gefährlicher Druck aufbauen. Das sei eine schlechte Nachricht für die Bewohner vieler Ortschaften in Chile und Indonesien. Denn beide Länder können jederzeit von einem Starkbeben erschüttert werden - vor ihren Küsten liegen Verschluckungszonen.

Zudem befinden sich dort Dutzende Vulkane, die scheinbar erloschen sind. Walter und Amelung fordern nun, das Risiko in den betroffenen Regionen genauer zu prüfen.

© SZ vom 4.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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