Frage der Woche:Wie navigieren Tiere?

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Viele Vögel und Fische erreichen nach Tausenden Kilometern ihre Winterquartiere oder Laichgründe. Forscher wissen immer besser, wie sie ihr Ziel finden.

M. C. Schulte von Drach

Es sind riesige Strecken, die Zugvögel, aber auch manche Fische und Meeresschildkröten, auf ihren Reisen bewältigen. Bis zum Winterquartier oder dem Laichplatz sind es häufig Tausende Kilometer. Wie aber gelingt es den Tieren, ihre Ziele zu finden? Die gleiche Frage stellen sich Biologen auch, wenn sie beobachten, wie Ameisen ihr Nest, Bienen ihren Stock und Fledermäuse ihre Höhle nach weiten Ausflügen wiederfinden.

Zugvögel wissen ganz genau, wohin die Reise geht. (Foto: Foto: dpa)

Und bis heute ist das Rätsel der Navigation nicht endgültig geklärt.

Immerhin sind die Forscher einigen Mechanismen auf der Spur. Fest steht, dass der biologische Kompass nicht nur auf einen Sinn zurückgreift.

Viele Tiere orientieren sich mit Hilfe des Erdmagnetfelds. Bei Vögeln konnten winzige Eisenoxidpartikel (Magnetit) im Schnabel nachgewiesen werden, ebenso in den Nasengruben von Fischen und in der Hornhaut von Graumullen, die in unterirdischen Tunnelsystemen leben. Diese Partikel richten sich entsprechend dem Magnetfeld aus - ähnlich wie eine Kompassnadel.

Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass in den Augen von Zugvögeln ein weiteres Molekül existiert, dass ihnen ebenfalls Informationen über das Magnetfeld gibt: Cryptochrom. Dieses reagiert unterschiedlich auf die Orientierung der Magnetfeldlinien. Vögel, deren Netzhaut - offenbar handelt es sich um die Retina des rechten Auges - Cryptochrom enthält, können das Magnetfeld demnach gewissermaßen "sehen".

Zusätzlich nutzen Vögel offenbar die Positionen der Sterne am nächtlichen Himmel. Sie orientieren sich zwar nicht an bestimmten Konstellationen, doch anhand der Drehung des Sternenhimmels können sie feststellen, ob sie sich nun in Richtung Norden oder Süden bewegen.

Woher junge Tiere nun wissen, in welche Richtung sie für ihre erste große Reise fliegen, schwimmen oder laufen müssen, ist noch unklar. Sie verfügen wahrscheinlich über ein angeborenes Programm, an dem sich ihr erster Fernflug orientiert.

In die Heimat zurück finden sie aber offenbar, weil sie sich zum einen auf dem Hinweg eine Reihe von Informationen - auch natürliche oder künstliche Landmarken - gemerkt haben.

Für den Rückweg nutzen Vögel, Fische und Schildkröten möglicherweise auch noch eine Art Prägung: Sie haben die Stärke und Ausrichtung des Magnetfeldes am Heimatort verinnerlicht.

Sind sie schließlich mit Hilfe des Magnetfelds und anderer Informationen in die Nähe ihrer Heimat gelangt, so verlassen sich zumindest einige auf ihren feinen Geruchssinn, der sie endlich exakt zum Ziel führt.

Manche Insekten und andere Gliedertiere nutzen ebenfalls Landmarken, den Stand der Sonne und darüber hinaus das Polarisationsmuster des Himmels zur Navigation. Die unpolarisierten Sonnenstrahlen werden in der Atmosphäre gefiltert und linear polarisiert: Das Licht, das die Erdoberfläche erreicht, schwingt - für Menschen nicht wahrnehmbar - in eine bestimmte Raumrichtung. Je nach dem Stand der Sonne verändert sich die Schwingungsrichtung. Diese Information und die Position der Sonne nutzen die Tiere zur Orientierung.

Dazu zählen bestimmte Ameisen offenbar sogar ihre Schritte, um eine zurückgelegte Entfernung einzuschätzen. Verlängerten Forscher die Beine der Tiere künstlich, so suchten die Ameisen ihr Nest in einer zu großen Entfernung - sie waren mit großen Schritten daran vorbeigelaufen. Waren die Beine verkürzt, so trippelten die Tiere zwar auf das Nest zu - wähnten sich aber zu früh am Ziel.

Es ist leicht nachzuvollziehen, dass Tiere sich in ihrer Umwelt orientieren müssen. Auch das Vögel im Winter wärmere Gebiete aufsuchen, ist verständlich. Warum aber bringen manche Arten riesige Strecken hinter sich, um ihre Jungen zur Welt zu bringen oder zu laichen?

Offenbar müssen dort so gute Bedingungen für die Nachkommen herrschen, dass die Vorteile die Kosten der langen Reise aufwiegen. Solange die Verhältnisse sich nicht ändern oder die Tiere nicht zufällig auf ein entsprechendes Gebiet in größerer Nähe stoßen, werden sie weiter auf die Fernreise setzen.

Umweltzerstörung und der Klimawandel könnten allerdings dazu führen, dass manche Arten ihre Reisepläne ändern müssen - oder aussterben.

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