Evolution:Vorteil am Lagerfeuer

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Eine genetische Mutation könnte die Vorfahren der Menschen unempfindlich gemacht haben gegen schädliche chemische Verbindungen in Rauch oder verbranntem Fleisch. Der Neandertaler hatte diesen molekularen Schutz nicht.

Von Hanno Charisius

Eine besondere Gen-Variante schützt den Menschen zumindest teilweise vor schädlichen chemische Verbindungen, wie sie im Qualm von Lagerfeuern enthalten sind. Das vermuten amerikanische Genetiker, nachdem sie das Erbgut moderner Menschen mit dem von Neandertalern, Denisova-Menschen und anderen Primaten verglichen haben. Nur bei den neun untersuchten Menschen fanden sie die mutierte Erbanlage, welche ihre Träger weniger empfindlich gegen Rauch macht - nicht jedoch bei anderen Primaten und auch nicht in den fossilen Überresten der einstigen Weggefährten unserer Vorfahren.

Das sogenannte Ah-Gen steuert im Körper den Bauplan eines molekularen Rezeptors, an den zum Beispiel aromatische Kohlenwasserstoffe, Dioxine und polychlorierte Biphenyle (PCB) binden. Koppeln solche Stoffe an den Ah-Rezeptor, startet eine biochemische Kaskade in den Körperzellen, die auch zu Krebs führen kann. In einem Computermodell berechnete das Forscherteam um den Toxikologen Gary Perdew von der Pennsylvania State University, wie stark die Rezeptoren des Menschen einerseits und Neandertalern andererseits Giftstoffe binden. Die Simulation ergab, dass die Neandertaler-Variante wohl bis zu 1000 Mal stärker auf die toxischen Verbindungen ansprach und die frühzeitlichen Vettern der Menschheit anfälliger machte für inhalierte oder verschluckte Giftstoffe. Das berichten die Forscher im Fachjournal Molecular Biology and Evolution.

Perdew und Kollegen sehen in der erhöhten Widerstandskraft gegen Rauch einen evolutionären Vorteil. Ohne die Mutation richtet sich bei Überlastung durch zu viele Giftstoffe das, was eigentlich als Entgiftungsmechanismus funktionieren sollte, gegen den Organismus. Eine verringerte Empfindlichkeit war wahrscheinlich nützlich, als die Vorfahren des heutigen Menschen in verräucherten Höhlen saßen und in verkohltes Fleisch bissen. Vor den schädlichen Folgen übermäßigen Tabakrauchens schützt der menschliche Rezeptor allerdings nicht.

© SZ vom 04.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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