Biomedizin:Fragwürdiges Vorbild

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Mehr als 20 Studien der Bremer Pharmakologin Kathrin Mädler stehen in der Kritik. Nun widerlegen andere Forscher sogar eine ihrer ersten Arbeiten.

Von Astrid Viciano

Was gibt es Besseres als leuchtende Vorbilder, um Kinder für Wissenschaft zu begeistern! Ein weißer Kittel, ein cooles Experiment, schon stehen die Kleinen im Bann der Forschung. Das denkt sich wohl auch die Universität Bremen, die am 17. Juni zum Open-Campus-Tag Schüler in ausgewählte Labors einlädt. Nur dass manches Vorbild in Bremen eher blendet als leuchtet. So zumindest die Pharmakologin Kathrin Mädler.

Seit Jahren gibt es massive Kritik an Studienergebnissen von Mädler und Kollegen. Auf der Internetseite PubPeer wurden Merkwürdigkeiten in mehr als 20 Fachpublikationen aus den Jahren 2001 bis 2014 beschrieben. Inzwischen hat die Diabetesforscherin in Fachartikeln mehrmals Korrekturen ihrer Abbildungen veröffentlichen müssen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) zog im Dezember sogar eine bereits bewilligte Heisenberg-Professur zurück - eine Professur, die als Ritterschlag für Wissenschaftler gilt, mit hohen Anforderungen an "wissenschaftliche Integrität, und mit hoher Vorbildfunktion", wie es die DFG ausdrückt.

Erst vor einigen Wochen hat das Journal "Diabetes" einen Fachartikel zurückgezogen

Doch damit nicht genug, vor ein paar Wochen erst hat das angesehene Journal Diabetes eine Publikation der Pharmakologin zurückgezogen. "Die Sorge um die Verlässlichkeit der Daten kann durch eine Korrektur nicht ausreichend gemindert werden", befand das zuständige ethisch-wissenschaftliche Komitee der Amerikanischen Diabetes-Gesellschaft. Der Rückzug war besiegelt, bereits einmal, im November 2015, hatte das Journal of Biological Chemistry sich zu einem solchen Schritt entschlossen. Mädler selbst schreibt dazu auf Anfrage, dass es wegen einer Vielzahl von Experimenten einer Kollegin zu Verwechslungen gekommen sei.

Studien von Mädler und Kollegen hatten vor Jahren hoffen lassen, den mehr als sechs Millionen Diabetes-Patienten in Deutschland eine neue Therapie bieten zu können. Vielen Menschen mit Diabetes droht im Lauf der Jahre ein Herzinfarkt oder Schlaganfall, manche verlieren ihr Augenlicht, anderen müssen die Ärzte Zehen, Füße oder gar Unterschenkel amputieren. Dies zu verhindern, gilt als eine der größten Herausforderungen der modernen Medizin. Und Kathrin Mädler schien auf gutem Wege zu sein, diese zu meistern.

Das Hormon Insulin senkt den Blutzuckerspiegel und wird in den körpereigenen Betazellen produziert, so viel wissen Mediziner seit Langem. Bei Typ-2-Diabetes, der vor allem in höherem Alter vorkommt, stumpfen andere Körperzellen zunehmend gegen Insulin ab. Die Betazellen produzieren daher mehr Insulin - bis sie irgendwann aufgeben und zugrunde gehen. Und hier kamen Mädlers Studienergebnisse ins Spiel.

In einer ihrer frühen Arbeiten hatte Mädler mit Kollegen dargelegt, dass bei einem erhöhten Blutzuckerspiegel die Insulin produzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse einen Botenstoff herstellen, der die Zellen selbst in den Tod treibt. Könnte man den Botenstoff hemmen, würde das den Untergang der so wichtigen Betazellen verhindern, so die Hoffnung. "Doch mehrere klinische Studien zeigten nur minimale Erfolge", schreibt nun ein Team um die Pharmakologin Florence Anquetil des La Jolla Instituts für Allergie und Immunologie und des Unternehmens Novo Nordisk im Journal of Autoimmunity.

Grund genug für Anquetil, sich den von Mädler und anderen Forschern beschriebenen Zusammenhang genau anzusehen. Das vor wenigen Wochen veröffentlichte Ergebnis: Sie konnten Mädlers Studienergebnisse nicht bestätigen; es fanden sich keinerlei Unterschiede in der Konzentration des besagten Immunbotenstoffs in den Betazellen von Menschen mit oder ohne Diabetes. "Die neuen Ergebnisse widersprechen den Studien von Kathrin Mädler und Kollegen", fasst Déico Eizirik, Leiter des Zentrums für Diabetesforschung an der Freien Universität Brüssel, zusammen. "Wissenschaft basiert jedoch auf Vertrauen", sagt Eizirik. Und das werde erschüttert, wenn es wiederholt Diskussionen über die Verlässlichkeit mancher Studienergebnisse Mädlers gebe. Die Forscherin selbst dagegen schreibt auf Anfrage, die Ergebnisse ihrer Arbeit seien "in großen klinischen Studien bestätigt" worden und spricht von einer "Diffamationskampagne". Im Oktober 2016 hatte der Rektor der Universität Bremen erklärt, eine eigens damit befasste Untersuchungskommission habe keine "hinreichenden Anhaltspunkte" für Fehlverhalten gefunden. Und so sollen sich nun Schüler ausgerechnet im Labor Mädlers für Wissenschaft begeistern - Titel der Veranstaltung: "Neue Forschungsergebnisse zur Behandlung der Zuckerkrankheit."

© SZ vom 12.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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