Biologie:Das exklusive Elixier

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Im Wasser ist das Leben entstanden, zumindest auf der Erde. Unklar ist allerdings, ob es für jede Art von Leben notwendig ist. In einem fernen Sonnensystem könnte es eine ganz andere Chemie geben.

Von Kathrin Zinkant

Es gehört zu den Privilegien der Raumfahrt, dass sie mit schlichten Erkenntnissen immer wieder Aufmerksamkeit erregen kann. "Wasser auf dem Mars" ist so ein Befund. Ob in Kanälen, Flussbetten, Gullis oder, wie zuletzt, in Rinnen auf der Oberfläche des Roten Planeten: Wasser sorgt stets für Aufregung, denn wo Wasser ist, könnte Leben entstanden sein. Schließlich war es auf der Erde auch mal so. Aber was genau ist an Wasser so speziell, dass es synonym für Leben steht?

Tatsächlich ist die geruch- und farblose Flüssigkeit nicht bloß irgendein Lösungsmittel, das vor ein paar Milliarden Jahren aus purem Zufall der irdische Teich wurde, in dem die Evolution loslegte und Leben, wie wir es heute kennen, hervorbrachte. Wasser ist schon ein besonderer Stoff: Es ist chemisch stabil, viel weniger flüchtig als andere Lösungsmittel. Und obwohl seine Moleküle kleiner und leichter sind als etwa Kohlendioxidteilchen, bleibt Wasser bis in höhere Temperaturbereiche flüssig.

Das liegt vor allem an einer Besonderheit der Wasserteilchen selbst. Jedes hat schwach geladene Enden, positiv an den Wasserstoffatomen, negativ am Sauerstoffatom. Benachbarte Moleküle ziehen sich deshalb gegenseitig an, dabei entstehen sogenannte Wasserstoffbrückenbindungen, schwache Bande eigentlich, die jederzeit gelöst und neu geschlossen werden. Dennoch prägen sie in ihrer Summe den Charakter von Wasser. Und dessen Bedeutung in der Biologie, denn Wassermoleküle bilden solche Brücken nicht nur untereinander, sondern auch mit den Substanzen, die für die Enstehung von Leben mutmaßlich verantwortlich gewesen sind (siehe Grafik). Die Komplexität dieser organischen Moleküle vom Zucker bis zur Base in der sogenannten Ursuppe, die Faltung und Funktion von Eiweißen, die Formation von Membranen und Zellhüllen, selbst die Doppelhelix des universellen Erbmoleküls DNA: Leben ist gerade in seiner räumlichen Gestalt perfekt an die Matrix des Wassers angepasst - und auch vollkommen davon abhängig.

Gültig ist das allerdings nur für die einzige Form von Leben, die Forscher bislang kennen. Leben auf der Erde nämlich, wie es seit Jahrhunderten erforscht und inzwischen auch bis ins winzigste Detail dokumentiert ist. Der Mensch weiß ziemlich gut darüber Bescheid: Er kann anhand von Fossilien und Stammbäumen auch dessen Evolution bis zu den ersten primitiven Mikroben zurückverfolgen. Er kann sogar auf die Notwendigkeit der organischen Stoffe in der Ursuppe schließen. Und selbstverständlich auf die Unverzichtbarkeit von Wasser für die bekannte Lebensform. Ob Wasser aber für jede Art von Leben so unabdingbar ist? Die Frage führt geradewegs zu zwei anderen Rätseln, die viel umfassender sind und sich gewiss nicht nur auf irdische Verhältnisse beziehen: Warum entsteht aus anorganischem, sprich völlig leblosem Material überhaupt so etwas wie Leben? Und: Was ist das eigentlich, Leben?

Die erste Frage hat so manchen Forscher an den Rand des Verstandes gebracht. Und bis heute weiß niemand, welche Triebkraft der Natur aus toten Stoffen auch nur die Bausteine lebendiger Strukturen entstehen lässt. Alle Versuche, im Labor zumindest rudimentäre Vorstufen von irdischem Leben zusammenzubrauen, ganz nach dam Modell "Ursuppe", sind kläglich gescheitert. Entweder fehlen schlicht noch die entscheidenden Kenntnisse. Oder die Entstehung des Lebens folgt einem völlig anderen Plan. Einem, der sich auf der Erde womöglich nicht mal nachvollziehen lässt. Was zum Beispiel, wenn die Außerirdischen längst hier waren - wenn die Menschheit selbst auf außerirdische Vorfahren zurückgeht, die vor Milliarden Jahren die Erde erreichten und das Fundament des biologischen Stammbaums bildeten?

Die These der sogenannten Panspermie wurde schon im 19.Jahrhundert formuliert und besagt, dass die Urformen des Lebens einst von Meteoriten oder Asteroiden eingeschleppt wurden. Tatsächlich haben Weltraumexperimente gezeigt, dass Mikroorganismen die brachialen Bedingungen solcher Reisen zwischen Planeten oder sogar zwischen Sonnensystemen durchaus überstehen könnten. Die Wahrscheinlichkeitsrechnung allerdings bescheinigt der Panspermie in einem unendlichen Universum mit unendlich vielen möglichen Zielplaneten neben der Erde keine große Chance. Die entscheidende Frage nach dem Warum beantwortet sie ohnehin nicht. Trotzdem findet das Konzept nach wie vor viele Anhänger.

Auf die Frage nach der Definition von Leben sind die Antworten deutlich vielfältiger. Sie reichen von der biologischen Umschreibung von stoffwechselnden, Nachwuchs erzeugenden Wesen bis hin zur eher abstrakten Definition von Leben als Zustand organisierter Instabilität. Wasser spielt in diesen Definitionen oft gar keine Rolle. Tatsächlich auch nicht in der Umschreibung der Nasa, die lautet: "Leben ist ein sich selbst erhaltendes System, das in der Lage ist, eine Evolution nach Darwin zu durchlaufen." Das ist recht allgemein, bedenkt man den Stellenwert, den die Nasa der Suche nach Wasser seit Jahrzehnten einräumt.

Die Definition zeigt aber auch, was selten zur Sprache kommt, wenn es um die Suche nach Leben geht. Wasser mag essenziell sein für das Leben auf der Erde. Auf anderen Planeten, in fernen Sonnensystemen, könnten Lebensformen aber unter völlig anderen Bedingungen, mit einer komplett anderen Chemie entstanden sein. Womöglich sogar ohne einen Tropfen Wasser.

© SZ vom 02.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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