Bakterie mit Grundausstattung:Es lebt

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Biologen entdecken die minimalen Zutaten des Lebens - und staunen über die Komplexität eines scheinbar simplen Organismus.

Tina Baier

Was macht das Leben aus? Was ist die Minimalausstattung an Genen und Eiweißstoffen, die ein Organismus zum Überleben braucht?

Anpassungsfähig und gut organisiert: Die Untersuchung der winzigen Bakterie Mycoplasma pneumioniae lässt selbst Forscher staunen. (Foto: Foto: Getty)

Wissenschaftler des European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg und des Centre de Regulacio Genòmica (CRG) in Barcelona versuchten, der Antwort auf solche Fragen näherzukommen, indem sie eines der kleinsten Lebewesen untersuchten, das sich selbständig vermehren kann: das Bakterium Mycoplasma pneumioniae, das beim Menschen Lungenentzündungen verursacht ( Science, Bd.326, S.1235 2009).

Das Erbgut dieses Mikroorganismus besteht aus nur 816 Kilobasen; größere Bakterien wie zum Beispiel Escherichia coli haben mehr als 4000 Kilobasen. Um dem Geheimnis des Lebens auf die Spur zu kommen, wollten die Forscher nicht nur einzelne Gene oder Eiweißstoffe analysieren, sondern das Bakterium als System verstehen.

Dabei ging es beispielsweise darum herauszufinden, wie verschiedene Eiweißstoffe zusammenarbeiten. Um diese Aufgabe zu bewältigen, analysierte eine Gruppe das "Metabolom", also alle Stoffwechselvorgänge. Eine zweite untersuchte sämtliche Eiweiß-Komplexe und eine dritte kümmerte sich um die aktiven Abschnitte im Erbgut.

Anpassungsfähig und komplex

"Auf allen drei Ebenen war das Bakterium sehr viel komplexer als wir erwartet hatten", sagt Luis Serrano vom CRG. Offensichtlich wirtschaften die Mycoplasmen mit ihrer kleinen genetischen Grundausstattung extrem sparsam. Die Wissenschaftler fanden viele Moleküle, die mehrere Aufgaben gleichzeitig übernehmen konnten: Eiweißstoffe etwa, die in den verschiedensten Komplexen als Baustein dienten.

Die zweite Überraschung war, dass das Bakterium sehr gezielt nur diejenigen Erbgutabschnitte aktivierte und diejenigen Eiweißstoffe produzierte, die es gerade unbedingt brauchte.

Eine derart gute Organisation trauten Wissenschaftler bislang nur den höher entwickelten Eukaryoten zu. Lebewesen also, deren Erbgut anders als das der Bakterien in einem Zellkern verstaut ist und die in der Regel deutlich größer sind als Bakterien.

Gleichzeitig ist Mycoplasma pneumoniae sehr anpassungsfähig und kann binnen kürzester Zeit auf Veränderungen reagieren. Viele der Mechanismen, mit deren Hilfe den Bakterien dies gelingt, waren ebenfalls aus höheren Organismen bekannt.

Anne-Claude Gavin vom EMBL glaubt, dass genau in diesen Gemeinsamkeiten der Schlüssel zur Beantwortung der Frage nach den essentiellen Zutaten des Lebens liegt. "Das sind die Funktionen, ohne die auch der simpelste Organismus nicht auskommt", sagt sie - eine Art Grundausstattung aller Lebewesen, die sich seit Millionen Jahren nicht verändert hat.

© SZ vom 27.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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