Artenschutz:Doppeltes Problemtier

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Weder Freund, noch Feind: Das ist wohl des Wolfs größtes Problem. (Foto: Bernd Thissen/dpa)

Zu wenige Wölfe, zu viel Schaden durch Wölfe: Wie sollen die Länder mit dem Räuber umgehen? Das Bundesamt für Naturschutz plädiert für mehr Herdenschutz, doch die Umweltminister sperren sich gegen die vorgeschlagenen Maßnahmen.

Von Kathrin Zinkant

Der Erhalt des seit 17 Jahren wieder in Deutschland lebenden Wolfs lässt nach wie vor zu wünschen übrig. Wie das Bundesamt für Naturschutz am gestrigen Mittwoch in Berlin bekannt gab, vermehren sich die Tiere in Deutschland zwar, allerdings tun sie es nicht so stark wie gewünscht. Zugleich stellte das BfN in der Hauptstadt ein Konzept zum Schutz von Nutztierherden vor.

Das wissenschaftliche Monitoring in den Bundesländern hat für das Wolfsjahr 2016/2017 einen Bestand von 60 Rudeln mit insgesamt 150 bis 160 erwachsenen Tieren gezählt. 22 dieser Rudel leben in Brandenburg, 14 in Sachsen, elf in Sachsen-Anhalt und zehn in Niedersachsen. Während die Angst der Bürger vor einem Angriff auf Menschen sich bisher als unberechtigt erwiesen hat, sind Schafe und Ziegen durch den Räuber zunehmend in Gefahr: Ein gesunder Wolf wird keine gute Gelegenheit auslassen, die frei lebenden Nutztiere anzugreifen. Und je häufiger es dem Wolf gelingt, Zäune zu überwinden, desto häufiger versucht er es. 285 Übergriffe wurden im vergangenen Monitoringzeitraum registriert, mehr als 1000 Nutztiere kamen dabei zu Tode, knapp 50 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Durch eine steigende Zahl von Wölfen ist diese Zunahme nicht zu erklären.

Das BfN sieht das Problem vielmehr auf Seiten der Nutztierhalter. "Der Herdenschutz ist für eine konfliktarme Koexistenz essenziell", sagt Beate Jessel. Die Präsidentin des Bundesamts betont zugleich, dass eine durch Abschuss dezimierte Zahl von Wölfen in einem Gebiet nicht automatisch mit einer geringeren Gefahr für schlecht geschützte Herden einhergehe. Wobei die Länder bislang einen Mindestschutz von 90 Zentimetern vorschreiben, der nach den bisherigen Erfahrungen aber nicht ausreicht. "Man sollte deshalb nicht nach Abschuss rufen, sondern den Herdenschutz verbessern", sagt Jessel. Das BfN empfiehlt einen 120 Zentimeter hohen Zaun, der zumindest oben elektrisch geladen und unten nach Möglichkeit bis zum Boden geschlossen ist.

Die Frage ist nur, wer die politische Verantwortung für diese Maßnahmen übernimmt. Laut Gesetz ist es Sache der Länder, sich um den Herdenschutz und den Umgang mit sogenannten Problemwölfen zu kümmern. Auf der Umweltministerkonferenz der Länder in Potsdam wurde vergangene Woche jedoch mehrfach der Bund dazu aufgerufen, Kriterien und Handlungsanweisungen zu erteilen. Was insofern überrascht, als dass die Umweltminister kurz vor der Konferenz verhindert hatten, dass das Bundesamt seine Vorschläge zu Herdenschutzmaßnahmen und Problemdefinitionen wie geplant am 8. November veröffentlicht. Der Termin musste verschoben werden. Mecklenburg-Vorpommerns Minister Till Backhaus hat derweil verkündet, es lebten schätzungsweise 650 Wölfe in Deutschland. In Mecklenburg-Vorpommern sind bislang drei Rudel bestätigt.

"Ich habe mich sehr gewundert über die Zahl, die Minister Backhaus genannt hat, sagt Beate Jessel. Für diese gebe es keine Belege. Und selbst wenn eines Tages einmal 650 oder 1000 Wölfe in Deutschland leben werden: "An einer Zahl lässt sich nicht festmachen, ob die Erhaltungssituation des Wolfs ausreichend ist", sagt Jessel. Auch das Verbreitungsgebiet und die Zukunftsaussichten, also die Chancen auf Nachwuchs in den Rudeln, seien entscheidend für diese Frage. "Eine pauschale Obergrenze kann es deshalb nicht geben."

Die Experten des BfN warnten auf der Pressekonferenz zugleich ausdrücklich davor, Wölfe anzufüttern. Die Distanz müsse gewahrt bleiben. Für bedenklich hält Jessel, dass nur 22 der seit 2000 gestorbenen 201 Wölfe eines natürlichen Todes gestorben sind, dafür aber inzwischen 26 der streng geschützten Tiere erschossen wurden. Die mit Abstand meisten Tiere fallen dem Verkehr zum Opfer. Das BfN habe deshalb ein Konzept für Grünbrücken ausgearbeitet, das jedoch nur schleppend umgesetzt werde.

© SZ vom 23.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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