Archäologie:Bakterien-Bad

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Die Bäder, Brunnen und öffentlichen Toiletten der Römer gelten als medizinischer Fortschritt. Dabei konnten sich von dort aus wohl Krankheiten und Parasiten im antiken Europa ausbreiten.

Von Christoph Behrens

Aquädukte, fließendes Wasser aus Leitungen, öffentliche Latrinen, Brunnen und Badeanstalten - mit ihren Siegeszügen brachten die Römer vor 2000 Jahren auch eine neue Hygiene ins eroberte Europa. Gerade die Badekultur wird noch heute als medizinischer Fortschritt bewundert. Dabei scheint sie der Gesundheit der antiken Europäer erschreckend wenig geholfen zu haben, erklärt der britische Archäologe Piers Mitchell im Fachblatt Parasitology.

Der Forscher der Universität Cambridge hat archäologische Funde römischer Ruinen in ganz Europa genauer ausgewertet. Im Boden von antiken Latrinen, in versteinertem Kot oder in Grabkammern lassen sich heute noch Überreste der Parasiten finden, die das Volk vor 2000 Jahren plagten. Die Inventur fällt erschreckend aus: Spulwürmer, Peitschenwürmer, Ruhramöben, Saugwürmer, Flöhe, Bettwanzen und unzählige Läuse-Arten fühlten sich in den römischen Städten wohl. Besonders in den Bädern müssen Erreger einen wunderbaren Nährboden gefunden haben. Das Wasser war meist lauwarm und wurde eher selten gewechselt. Menschlicher Dreck und Reste von Kosmetik bildeten einen Film, in dem sich Bakterien vermehrten. "Die römische Gewohnheit, sich in öffentlichen Bädern zu waschen, scheint das Risiko für die Ansteckung mit Ektoparasiten nicht gesenkt zu haben", bilanziert Mitchell. Der Archäologe verglich die Funde zudem mit der vorrömischen Zeit und dem Mittelalter. Im britischen York etwa sei die Konzentration an Ektoparasiten wie Läusen während der Zeit der Römer, der Wikinger und im Mittelalter weitgehend gleich geblieben - obwohl der Stadt mit dem Zerfall Roms auch die öffentlichen Bäder abhandenkamen. Der medizinische Einfluss der Lateiner war demnach begrenzt. Den Fischbandwurm verbreiteten die Römer vermutlich sogar selbst in Europa. Dieser Parasit könnte mit der populären Fischsoße "Garum" durchs Reich gewandert sein.

Ein Rückschritt seien die hygienischen Ideen der Römer aber nicht gewesen, sagt Mitchell. Sie hätten nur statt medizinischer eher praktische Vorteile gebracht: Die Toiletten sorgten für weniger Gestank in den Straßen, die Bäder waren ein wichtiger sozialer Treffpunkt.

© SZ vom 11.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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