Wu Xiaohui:Schon wieder verschwindet ein chinesischer Manager

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In einer Erklärung des Versicherungskonzerns Angang heißt es: "Aufsichtsratschef Wu Xiaohui ist aus persönlichen Gründen vorübergehend nicht in der Lage, seine Aufgaben zu erfüllen." (Foto: REUTERS)
  • In China ist erneut ein Manager verschwunden.
  • Dieses Mal hat es den Chef des Versicherungskonzerns Anbang getroffen, Wu Xiaohui.
  • Das zeigt einmal mehr: Chinas Behörden gehen systematische gegen Akteure der Finanzindustrie vor.

Von Christoph Giesen und Meike Schreiber

Es ist inzwischen leider das übliche Verfahren in China: Zuerst meldet ein Wirtschaftsmagazin das plötzliche Verschwinden eines Managers. Dann steigt die Parteipresse ein. Und irgendwann folgen ein, zwei kryptische Sätze auf der Website des betroffenen Unternehmens. In diesem Fall der Versicherungskonzern Anbang und ihr Chef Wu Xiaohui.

"Aufsichtsratschef Wu Xiaohui ist aus persönlichen Gründen vorübergehend nicht in der Lage, seine Aufgaben zu erfüllen. Er hat die zuständigen Führungskräfte angewiesen, sich um das Geschäft zu kümmern", heißt es am Dienstagabend auf der Firmen-Website. Einen Tag darauf tritt Wu zurück. War es Korruption? Ein drohendes Finanzproblem? Oder ein Machtkampf? Seit einigen Monaten jedenfalls gehen Chinas Behörden systematisch gegen die Finanzindustrie vor. Mehrere Milliardäre sitzen im Gefängnis, auch den Leiter der Finanzaufsicht hat es erwischt.

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Wus Verschwinden hat jedoch eine neue Qualität, in Peking ist die Unruhe deshalb groß. Eine ungeschriebene Regel in China lautet: Familienmitglieder von Revolutionären, jenen Kadern also, die die Volksrepublik 1949 mitgegründet haben, sind vor Verhaftungen und der allgegenwärtigen Anti-Korruptionskampagne der Regierung sicher. Wu Xiaohui ist mit einer Enkelin des Reformpatriarchen Deng Xiaoping verheiratet. Innerster Zirkel. Offenbar ist man nun selbst im Zentrum der Macht nicht mehr sicher.

Geboren 1966, arbeitete Wu zunächst als Beamter. 2004 startete er Anbang als Autoversicherer in der ostchinesischen Hafenstadt Ningbo. Die ersten Jahre war Anbang eher unbedeutend, dann aber begann die kleine Versicherung zu investieren. Sie stieg bei Banken ein und eröffnete undurchsichtige Graumarktfonds. 2014 dann der erste große Auslands-Deal: Für knapp zwei Milliarden Dollar kaufte Anbang das Waldorf Astoria Hotel in New York. Inzwischen verwaltet das Unternehmen ein Vermögen von etwa 300 Milliarden Dollar. Vor ein paar Monaten noch verhandelte der Konzern mit der Familie von Jared Kushner, dem Schwiegersohn von US-Präsident Donald Trump, über den Kauf eines Hochhauses an der New Yorker Fifth Avenue. Im März wurden die Gespräche beendet, nachdem Kritiker vor möglichen Interessenkonflikten warnten.

Auf der alljährlichen Reichenliste in China tauchte Wus Name bislang nicht auf. Der Grund: Zu undurchsichtig ist sein Besitz. Anbang besteht aus einem Geflecht von etwa 40 Unternehmen, die meisten davon sind Briefkastenfirmen. Bei mindestens 35 dieser Unternehmen stammen laut New York Times die Aktionäre aus demselben Landkreis. Es sind Freunde und Familienmitglieder von Wu Xiaohui. Sein eigener Name lässt sich hingegen nirgendwo finden. Allesamt Strohmänner? In China sprechen sie von "weißen Handschuhen".

Wus Verschwinden dürfte auch in Hamburg und Kiel zur Kenntnis genommen worden sein. Neben einigen Finanzinvestoren prüft dort Anbang ausgerechnet die Bücher der zum Verkauf stehenden HSH Nordbank. Auf Geheiß der EU-Kommission muss die Landesbank bis Februar 2018 verkauft werden. Misslingt das, droht dem vormals weltweit größten Schiffsfinanzierer die Abwicklung.

In Anbang hatten sie im Norden große Hoffnungen gesetzt, zumal sich der chinesische Konkurrent HNA kurz zuvor aus dem Bieterverfahren zurückgezogen hatte. Doch Anbang dürfte angesichts der Querelen kaum noch Chancen haben, zum Zuge zu kommen. Wechselt in Deutschland eine Bank den Besitzer, müssen die Aufseher zustimmen. Sie prüfen die Zuverlässigkeit eines Käufers. Mit einem Chef im Knast wird es da schwierig.

© SZ vom 16.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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