Wirtschaftspolitik:Wer hat's erfunden?

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Düpierte mit ihrem Konzept Kollegen aus anderen Ressorts: Ministerin Brigitte Zypries. (Foto: Monika Skolimowska/dpa)

Der Innovationsplan des Wirtschaftsministeriums löst Streit aus. Die Sozialdemokratin Brigitte Zypries setzt auf Steuerentlastungen.

Von Markus Balser und Cerstin Gammelin, Berlin

Die Bundestagswahl findet eigentlich erst im September statt. Doch schon jetzt streiten sich die Ministerien öffentlich mit der Verve des Wahlkampfs über die richtige Wirtschaftspolitik. Erst am Dienstag waren Grundzüge einer reformierten Innovationspolitik aus dem Bundeswirtschaftsministerium bekannt geworden: Per Milliardenprogramm will Ministerin Brigitte Zypries (SPD) den Erfindergeist in deutschen Unternehmen durch Steuerentlastungen und die Aufstockung von Fonds fördern. Am Vorstoß des Ministeriums gibt es innerhalb der Regierung jedoch deutliche Kritik.

Denn eigentlich hätten mehrere Ressorts eine gemeinsame Linie für mehr Innovationen ausarbeiten sollen, heißt es in Regierungskreisen. Eine Arbeitsgruppe von Finanz-, Forschungs- und Wirtschaftsministerium sei beauftragt, dazu ein Gesamtkonzept zu erarbeiten. Dass nun eines der Häuser vorpresche, komme bei anderen nicht gut an. Aus Kreisen des Finanzministeriums verlautete am Mittwoch, Minister Wolfgang Schäuble (CDU) verfolge schon seit längerem eine Strategie zur Steuerentlastung kleiner und mittlerer Unternehmen. Dies habe er bereits im März angekündigt.

Kern des Plans aus dem Wirtschaftsministerium ist es, mit jährlich 750 Millionen Euro Forschung im Mittelstand steuerlich zu fördern. Darüber hinaus sollen drei Forschungsprogramme für den Mittelstand um insgesamt mindestens 200 Millionen Euro im Jahr aufgestockt werden. Forschungsministerin Johanna Wanka (CDU) kritisiert die strikte Konzentration des Papiers auf den Mittelstand. Besonders kleine Start-up-Unternehmen profitierten von Zypries' Plan nicht ausreichend. "Sie haben oft noch keine eigenen Forschungsabteilungen und kooperieren meist eng mit Hochschulen oder außeruniversitären Forschungseinrichtungen", warnt Wanka. Das Modell des Wirtschaftsministeriums, das eine Steuerentlastung bei den Personalkosten vorsieht, gehe an diesen Bedürfnissen vorbei. Es müsse auch um den Wissenstransfer zwischen Hochschulen und Unternehmen gehen. "Deshalb darf die steuerliche Forschungsförderung nicht auf Personalkosten beschränkt bleiben, sondern muss auch Forschungsaufträge beinhalten", fordert Wanka. Das Verkehrs- und Digitalministerium von Alexander Dobrindt (CSU) wiederum ist düpiert, weil das Wirtschaftsministerium in seinem Plan den schleppenden Netzausbau in Deutschland moniert. Im EU-Vergleich habe Deutschland heute die größte Dynamik beim Breitbandausbau, entgegnete das Dobrindt-Ministerium am Mittwoch.

Die Gespräche auf Ressortebene sollen trotz der Auseinandersetzung in Kürze beginnen. Umgesetzt werden soll der Plan allerdings erst in der nächsten Legislaturperiode. Die Ministerien wollten entsprechende Beschlüsse bis zum Herbst wenigstens vorbereiten, weil es einen parteiübergreifenden Konsens gebe, dass die Forschungsmittel in Deutschland aufgestockt werden sollten. Damit gilt eine Umsetzung in den ersten Monaten nach der Wahl trotz eines möglichen Regierungswechsels als wahrscheinlich.

Finanziell wäre ein stärkeres Engagement bei der Forschungsförderung jedenfalls machbar. Die nächste Bundesregierung wird zudem in einer historisch besonderen Lage sein. Sie wird bei Amtsantritt nicht nur einen ausgeglichenen Haushalt vorfinden, sondern sogar noch ein, wenn man so will, großzügiges Taschengeld. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hinterlässt seinem Nachfolger, womöglich ihm selbst also, eine finanzielle Rücklage von mehr als 20 Milliarden Euro. Er hat das Geld als zusätzliches Flüchtlingsbudget deklariert. Das mag Schäuble jetzt so sehen, schließlich will er ausschließen, dass die politische Konkurrenz mit den Milliarden Wahlkampfversprechen macht. Die Erfahrung lehrt allerdings, dass die nächste Koalition die Sache ganz anders sehen kann.

© SZ vom 20.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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