Wirtschaftspolitik:Die Regierung in Rom braucht Geld

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Der Teilverkauf der Post brachte dem Staat 3,4 Milliarden Euro: Renzi zieht sein Privatisierungsprogramm durch.

Von Oliver Meiler, Rom

Es gehört zu den barocken Eigenheiten der italienischen Politik, dass linke Regierungen das Land immer schon liberaler regiert haben als vermeintlich liberale Kabinette. So stand Italien ausgerechnet unter dem selbsterklärten Macher, dem bürgerlichen Ministerpräsidenten und Medienunternehmer Silvio Berlusconi, viele Jahre lang still. Wenn Matteo Renzi nun vorgeworfen wird, er sei "schlimmer als Berlusconi", wie das die orthodoxe Linke fast täglich tut, dann meint sie damit seine liberalere Ader. Renzis Arbeitsmarktreform, in deren Zentrum die Lockerung des schier sakrosankten Kündigungsschutzes stand, gereichte den Kritikern zum ultimativen Beleg für ihre These.

Doch die Kritik kümmert ihn nicht, sie bestärkt ihn vielmehr. Renzi sieht sich ja als modernen Linken, als Sozialliberalen, als Reformer, der mit seiner Politik auch bürgerliche Wähler erreichen kann. Und diese Reformen, gerade die wirtschaftspolitischen, verkauft er bei jeder Gelegenheit mit schier überschwänglicher Verve - selbst dann, wenn er seinen eigenen ambitionierten Vorgaben in Wahrheit hinterherhinkt wie beim Privatisierungsprogramm.

Der Teilverkauf der Post brachte dem Staat 3,4 Milliarden Euro ein

Als Renzi im Februar 2014 Premier wurde, versprach er dem Land eine schnelle Welle staatlicher Veräußerungen. Er gelobte auch, er werde gescheit privatisieren, nicht so wie seine Vorgänger, er werde groß Kasse machen. Italien braucht das Geld, um ein bisschen etwas von seinem enormen Schuldenberg abzubauen, den es über die Jahrzehnte hinweg angehäuft hat: zwei Billionen Euro, über 130 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts - in Europa ist nur Griechenlands Schuldenquote noch höher. Brüssel drängt Rom nachgerade dazu, möglichst viele Staatsbeteiligungen abzustoßen.

Die Welle begann mit Fincantieri, dem Schiffbauunternehmen, das im Sommer 2014 an die Mailänder Börse gelangte. Der Auftakt war bescheiden: Erhofft hatte sich das Wirtschaftsministerium 600 Millionen Euro, musste sich dann aber mit 350 Millionen begnügen. Besser lief es ein halbes Jahr später mit dem Verkauf eines kleinen Aktienpakets von Enel, dem Stromkonzern: Für die Vergabe von 5,75 Prozent der Anteile nahm der italienische Staat 2,2 Milliarden Euro ein - er hält nun noch 25,5 Prozent des Kapitals. Viel Geld gäbe es auch für ein Stückchen Eni, des Erdölkonzerns. Doch da wartete man wegen des widrigen Marktes bisher lieber ab. Der oft schon angekündigte Börsengang von Enav, der Gesellschaft der Flugsicherer, soll ebenfalls erst im nächsten Jahr erfolgen.

Hochzufrieden ist man mit der Operation Poste Italiane, der Teilprivatisierung des größten Arbeitgebers im Land mit seinen 143 000 Angestellten. Für 3,4 Milliarden Euro gingen vor einigen Wochen 40 Prozent der italienischen Post, die mittlerweile einen überragenden Teil ihres Umsatzes mit Finanzdienstleistungen erwirtschaftet, an private Anleger.

Noch im vergangenen Frühjahr hatten Renzis Kritiker - in diesem Fall die rechtsbürgerlichen - gemault, der Premier schiebe den ganz großen Liberalisierungsschub nur wieder auf. Mit dem Börsengang der Post, auf den nun jener der Eisenbahnen folgt, widerlegt er die Mauler. Ganz zur Freude der Budgetüberwacher in Brüssel.

© SZ vom 01.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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