Werbung:Vorhang, Applaus!

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Seit ihrer Gründung 2012 war die Hamburger Werbeagentur Thjnk ein Spektakel. Nun wird sie verkauft. Ist das schöne Theater jetzt zu Ende?

Von Angelika Slavik

Die Werbebranche kennt verschiedene Parameter für Erfolg. Gewinn ist einer davon, die Befriedigung der eigenen Eitelkeit ein anderer. Und das stete Streben nach dem größtmöglichen Spektakel ein dritter, vielleicht der wichtigste.

Das sollte man wissen, um die Geschichte der Hamburger Werbeagentur Thjnk zu verstehen. Schon ihre Gründung im Jahr 2012 war ein seifenoperntaugliches Drama. Und in den fünf Jahren, die darauf folgen sollten, hat dieser Laden das sensationslüsterne Publikum in immer neue Sphären des Theatralischen geführt.

Am frühen Donnerstagmorgen teilte die britische Werbeholding WPP mit, man habe sich mit Thjnk auf eine Übernahme der Hamburger Agentur geeinigt. WPP ist ein Milliardenkonzern, operiert mit unzähligen Agenturmarken weltweit. Thjnk ist also künftig eine Marke von vielen in einem riesigen Gesamtkonstrukt. Natürlich drängt sich da die Frage auf: Ist das jetzt das Ende des schönen Theaters?

Die deutsche Agenturszene war ziemlich leicht zu verstehen. Bis sie kamen

Als die Weichen für die Gründung von Thjnk gestellt wurden, 2011, war die deutsche Werbebranche ziemlich leicht zu verstehen. Es gab zahlreiche erfolgreiche Agenturen, aber nur einen Olymp. Der Olymp war die Agentur Jung von Matt (JvM). Sie machte Kampagnen, über die die ganze Republik sprach: die mit der zerzausten Angela Merkel auf einem Plakat für den Autovermieter Sixt zum Beispiel. Sie heimste Schubkarren voller Auszeichnungen ein. Sie scheffelte die Kohle.

Aber bei JvM sollte damals auch ein Generationswechsel eingeleitet werden, es gab einen neuen Vorstandschef, der vieles ändern wollte. Die Änderungen gefielen nicht allen, auch nicht im Vorstand. Und so standen zwei der insgesamt fünf Vorstände eines Tages beim neuen Chef und ließen ihn wissen, dass - diplomatisch übersetzt - JvM leider künftig ohne sie auskommen müsse. Und dass sie im Übrigen planten, dem Olymp Konkurrenz zu machen.

Die zwei abtrünnigen Vorstände waren Karen Heumann und Armin Jochum und sie taten sich zusammen mit den Gründern der ziemlich ambitionierten Agentur Kemper-Trautmann. Daraus entstand "Thjnk": Ein Akronym aus den Nachnamen der Gründer, angereichert mit einem Verbindungs-n. Wie in Rock 'n' Roll.

Die Königstruppe JvM war von dem Angriff aus den eigenen Reihen schwer getroffen und verabschiedete Heumann mit einer Art Pamphlet - das natürlich öffentlich wurde. Scheidungskrieg! Die Branche gierte nach dreckigen Details und bekam sie.

Es dauerte Monate, bis sich JvM wieder sortiert hatte, ideale Voraussetzungen für Thjnk. Dort aber passierte: nichts.

Man gewann ein paar neue Kunden, aber keine spektakulär großen Etats. Die Erträge, hieß es, blieben hinter den Erwartungen zurück. Alsbald knirschte es in der Edeltruppe. Wieder zeichnete sich ein Drama ab, diesmal mit umgekehrten Vorzeichen: André Kemper, das "K" in Thjnk, verfolgte eigene Pläne - und gelangte zu ungeplanter Berühmtheit: Am Wiener Opernball prügelte er sich mit einem anderen Gast. Das Foto wurde Vorlage für zahlreiche Schmähungen im Internet - und es landete auf der ersten Seite der Bild. Das ist nicht die Art von Schlagzeilen, die Kunden gerne sehen. Man trennte sich.

Für Thjnk lief es ohne Kemper besser. Ob sie die Besten geworden sind? Da ist immer noch Platzhirsch JvM, der sich redlich müht, zum Glanz früherer Tage zurückzufinden. Da ist die Berliner Agentur Heimat, deren radikal-kreative Kampagnen oft Schlagzeilen machen. Da ist Serviceplan in München - langweilig, aber umsatzstark. Aber auf der Kundenliste von Thjnk stehen große Namen: Commerzbank, Deutsche Bahn, Ikea, Audi. Die Preise kamen, das Geld - und das Interesse von WPP.

Der deutsche Markt wird von inhabergeführten Agenturen dominiert. Die Ableger der großen Holdings wie WPP bestreiten meist einen Großteil ihres Geschäfts damit, internationale Kampagnen an den deutschen Markt anzupassen. Thjnk soll eigenständig arbeiten, aber durch WPP schneller expandieren und Kunden international begleiten. Dafür sollen die Gründer alle Anteile verkauft haben. Ob das gut geht? Wenn Thjnk seiner Tradition treu bleibt, wird es auf jeden Fall - spektakulär.

© SZ vom 14.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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