Werbung:Huch, ein Busen!

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Archivbild: Werbung für einen Unterwäschehersteller in der Londoner Innenstadt im Oktober 2005. (Foto: Getty Images)
  • Im Jahr 2016 haben sich viele Menschen über Werbung geärgert - die Zahl der Beschwerden stieg im Vergleich zum Vorjahr um 13 Prozent.
  • Die Zahl der Kampagnen, die der Werberat auch wirklich als moralisch verwerflich einstufte, blieb allerdings konstant.

Von Angelika Slavik

Zu den tollsten Dingen an Deutschland gehört, dass für absolut alles irgendjemand zuständig ist. Deshalb gibt es auch zahlreiche Anlaufstellen für Menschen, die sich ärgern. Wenn der Grund für den Ärger ein Plakat, eine Zeitungsanzeige oder ein Radiospot ist, ist es der Werberat, bei dem man sich beschweren kann.

Im Jahr 2016 haben sich ziemlich viele Menschen über Werbung geärgert, die Zahl der Beschwerden stieg im Vergleich zum Jahr zuvor um 13 Prozent, bilanzierte der Werberat am Donnerstag. Allerdings blieb die Zahl der Kampagnen, die der Werberat auch wirklich als moralisch verwerflich einstufte, konstant - wenn man der Einschätzung des Gremiums folgt, ist die Werbung also nicht schlimmer geworden, aber die Konsumenten empfindlicher. Oder spießiger?

Der am häufigsten erhobene Vorwurf lautet, das kritisierte Werbesujet sei sexistisch. Während 2015 das Kontrollgremium das bei fast der Hälfte aller kritisierten Motive genauso sah, sank der Anteil 2016 auf 35 Prozent. Gestiegen seien demnach also vor allem die unbegründeten Beschwerden. Nicht jedes Motiv mit einer Frau in "erotischer Pose" oder im Zusammenhang mit Hausarbeit oder Kinderbetreuung sei diskriminierend, finden die Aufseher. Es ginge ja darum, "wirklichkeitsnahe" Maßstäbe anzulegen. Anders ausgedrückt: Ein bisschen Busen wird wohl noch erlaubt sein!

Dass das offenbar viele Menschen anders sehen, erklärt sich der Werberat mit der intensiven Debatte über Sexismus auch in der Werbung: Der Vorstoß des Bundesjustizministers Heiko Maas, sexistische Werbung gesetzlich verbieten zu wollen - eine Idee, die mittlerweile wieder von der Agenda verschwunden ist - habe dem Thema viel öffentliche Aufmerksamkeit verschafft. Möglich aber, dass sich auch die Toleranzgrenzen verändern: Immerhin arbeiten sich Soziologen schon seit Jahren an der Lust auf Biederkeit ab, die viele junge Leute heute an den Tag legen. Meine Krawatte, meine Ehe, mein Schrebergarten - vielleicht ändert sich da auch das Moralempfinden.

Allerdings: Es gab 2016 zahlreiche Motive, die auch der Werberat als inakzeptabel einstufte. Das Gremium, ein Selbstkontrollorgan der Werbeindustrie, fordert in solchen Fällen, die Motive zurückzuziehen. Nur, wenn das nicht geschieht, wird eine öffentliche Rüge ausgesprochen - 22 Mal passierte das 2016. Darunter war etwa Baumgartner Optik, auf deren Werbeplakaten eine nackte Frau auf dem Boden kriecht. Oder Riffel's Bar und Grill aus Hannover: Das Unternehmen ließ eine nackte Frau auf einer Bratwurst reiten.

© SZ vom 17.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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