Wein:Winzer nehmen sich Jägermeister zum Vorbild

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Im Ausland war die Liebfrauenmilch jahrzehntelang ein Renner. (Foto: dpa)
  • Liebfrauenmilch wird von Kennern als mittlerweile belanglose deutsche Weinmarke eingestuft.
  • Der rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister Volker Wissing (FDP) will ihr zu neuem Leben verhelfen.

Von Susanne Höll

Der rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister Wissing (FDP) ist noch nicht allzu lang im Amt. Gut 100 Tage sind es inzwischen. Der Mann ist auch für Weinbau zuständig, in seiner Heimat ein ökonomisch wichtiger Bereich. Volker Wissing hat, was die Weinvermarktung angeht, eine eigenwillige Idee. Er will der Marke Liebfrauenmilch neues Leben einhauchen.

Ausgerechnet Liebfrauenmilch, einem Label, bei dem Connaisseure hierzulande und in aller Welt die Nase rümpfen. Der milde Qualitätswein, zu lieblich für den heutigen Geschmack, findet sich auf deutschen Weinkarten nur noch in aller seltensten Fällen. Auch in deutschen Supermärkten sucht man ihn vergeblich.

Im Ausland hingegen war die Liebfrauenmilch jahrzehntelang ein Renner, insbesondere im Vereinigten Königreich und den USA. Selbst am britischen Königshof wurde der Wein ausgeschenkt, zu Zeiten allerdings, in denen die Queen Victoria hieß und nicht Elisabeth. In den vergangenen drei Jahrzehnten sind die Ausfuhren allerdings dramatisch eingebrochen. Im Jahr 1990 wurden noch 1,1 Millionen Hektoliter Liebfrauenmilch registriert. 2015 waren es gerade noch rund 0,165 Millionen. Großbritannien war bis zur Jahrtausendwende ein Hauptabnehmerland. 2005 verkaufte man rund 700 000 Hektoliter auf die Insel, zehn Jahre später gerade noch knapp 140 000. Weine aus Italien, Bulgarien oder sonst woher haben der Liebfrauenmilch den Rang unter den preiswerten Weinen abgelaufen.

"Es ist einfacher, eine Marke mit einem altmodischen Ruf aufzupeppen als eine neue Marke zu lancieren"

Wissing, selbst Winzersohn, will das ändern, auch um den abgesackten Preis von Fassweinen wieder zu stabilisieren. Gemeinsam mit den rheinland-pfälzischen heimischen Weinbau-Verbänden erwägt er einen Relaunch des äußerst altbacken anmutenden Labels, die dann von der gesamten heimischen Branche im Ausland gemeinsam beworben wird. "Es ist einfacher, eine Marke mit einem altmodischen Ruf aufzupeppen als eine neue Marke zu lancieren", sagt der FDP-Mann.

Wissing verweist auf das Beispiel Jägermeister. Lange Zeit galt der Kräuterlikör als Altherrengetränk. Eine Werbekampagne frischte das Ansehen und den Umsatz gehörig auf. Italien dient als anderes Vorbild. Wer einen preiswerten Perlwein im Supermarkt sucht, dem ist es meistens egal, aus welchem Anbaugebiet Prosecco stammt. Es zählt die Marke, nicht der Ursprung der Reben.

Die rheinland-pfälzischen Winzer stehen dem Projekt aufgeschlossen gegenüber, sind aber skeptisch, ob ein Relaunch funktioniert. "Wir unterstützen den Minister. Aber ob es etwas werden kann, müssen uns die Fachleute mitteilen", sagt der Präsident des rheinhessischen Weinbauverbandes Ingo Steitz.

Er hat sich ein Bild machen können von den Marketing-Herausforderungen, die auf die Weinbranche zukämen. Streitz war unlängst in Polen unterwegs, in Zamosc, im Südosten des Landes, nahe der Grenze zur Ukraine, entdeckte er Liebfrauenmilch mit dem traditionellen Madonna-Kind-Bildchen in einem Einkaufsmarkt. Daneben stand Wein bulgarischer Provenienz der Marke "Shoppin". Das Etikett zeigt die Karikatur einer gertenschlanken Blondine in Minikleid und Stöckelschühchen.

© SZ vom 06.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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