Was kommt:Auf Gegenseitigkeit

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Die Gothaer Versicherung ist ein ganz besonderer Verein. Warum, erklärt ihr Chef Karsten Eichmann im Montagsinterview. Am Dienstag treffen sich die VW-Aktionäre, am Mittwoch die der Allianz. Zum letzten Mal mit Chef Diekmann.

Von Marc Beise

Es gibt solche Versicherungen und solche, und manche sind auf ihre Art sehr speziell. Zum Beispiel die Gothaer, die mit mehr als vier Milliarden Euro Beitragseinnahmen und 3,5 Millionen versicherten Mitgliedern zu den größten deutschen Versicherungsunternehmen gehört. Das Besondere: Es handelt sich um einen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, der also den Kunden gehört. Die Hauptverwaltung ist in Köln angesiedelt, aber der Name erinnert an eine große Tradition: Die Gothaer Feuerversicherungsbank für den Deutschen Handelsstand wurde von dem Kaufmann Ernst-Wilhelm Arnoldi noch zu Goethes Zeiten, im Jahr 1820, in Gotha gegründet und ist eines der ältesten deutschen Versicherungsunternehmen überhaupt. Heute heißt der Chef Karsten Eichmann, im Montagsinterview erklärt er, warum es für Versicherte besser ist, wenn man mit ihren Risiken keine Aktionäre füttern muss wie bei den beiden Dax-Großkonzernen Allianz und Munich Re. Er verspricht, dass die Gesellschaften trotz Niedrigzinsen die bestehenden Verträge mit allen Garantien "dauerhaft" erfüllen können. Und erklärt, warum die Digitalisierung die ganze Branche ganz schnell umkrempeln wird.

Am Dienstag treffen sich die VW-Aktionäre zu ihrer jährlichen Hauptversammlung. Der ganz große Showdown, so hofft man bei Volkswagen, ist nach dem Abgang von Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch erst einmal abgewendet. Eine besondere HV aber wird es trotzdem, auch ohne den alten Kontrolleur: Statt Piëch wird Berthold Huber die Geschäfte beim Treffen des weltweit zweitgrößten Autobauers führen. Huber, Ex-IG-Metall-Chef und bisher Vizechef im Gremium, statt dem Familienpatriarchen auf der VW-Bühne - das ist nicht nur außergewöhnlich, es ist vor allem ein interessantes Experiment. Denn es bedeutet ja wohl: Kapitaleigner und Gewerkschafter müssen sich schon ziemlich gut verstehen, damit so eine Besetzung zustande kommt.

Was brauchen wir wirklich? Als der hoch bezahlte Siemens-Manager Frank Braun seinen Job hinschmeißt, hat er zuvor lange über diese Frage nachgedacht. In seinem individuellen Fall lautet die Erkenntnis: mehr Zeit und weniger Geld. Braun krempelt sein Leben um. Das ist eine harte Umstellung, nicht nur für ihn. Auch seine Kinder machen große Augen, als sie sich das erste Mal am Flughafen am Economy-Schalter anstellen müssen. In unserer Serie "Anders Leben" zeichnen wir am Dienstag Brauns Weg nach.

Wie ein Wechsel an der Spitze eines Weltkonzerns professionell vollzogen wird, zeigen zwei andere Münchner Unternehmen. Am Mittwoch treffen sich in München die Aktionäre der Allianz, es wird die Abschiedsshow von Michael Diekmann. Der Westfale mag die Öffentlichkeit eigentlich gar nicht, aber nun muss er noch mal ran. Danach wird Oliver Bäte den Vorstandsvorsitz übernehmen (siehe auch den Report auf Seite 32). Und eine Woche später übergibt dann BMW-Lenker Norbert Reithofer an seinen Nachfolger Harald Krüger - auch hier klappte alles reibungslos, ganz ohne lange Querelen oder öffentliche Diskussionen. Die VW-Leute sollten da mal näher hingucken.

Was noch? Das Ur-Gebäude der oben erwähnten Gothaer Feuerversicherungsbank steht übrigens noch, hübsch renoviert, in der Bahnhofstraße in Gotha. Die fünftgrößte Stadt des Freistaats Thüringen hat heute nicht mal mehr 50 000 Einwohner, aber sie war einmal, von 1640 bis 1825, Residenzstadt des Herzogtums Sachsen-Gotha-Altenburg und Rivalin der anderen Residenzstadt der ernestinischen Dynastie, nämlich Weimar. Dort gediehen die Künste, hier die Naturwissenschaften. Wovon heute unter anderem das Naturkundemuseum und die Sternwarte Gotha zeugen. Ein Besuch lohnt.

© SZ vom 02.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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