Wahl der neuen Karstadt-Chefin Sjöstedt:Eva-Lotta und die starken Männer

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Ein rießiger Berg Arbeit: Die Schwedin Sjöstedt soll als neue Karstadt-Chefin den Kaufhaus-Riesen retten. (Foto: dpa)

Die Chefs von Karstadt waren bisher immer männlich, die Mehrheit der Kunden und der Belegschaft aber sind Frauen. Heute will der Aufsichtsrat die Schwedin Eva-Lotta Sjöstedt zur neuen Chefin wählen. Um Karstadt zu retten, muss Sjöstedt im totalen Chaos wahre Wunder vollbringen.

Von Christoph Giesen, Berlin, und Max Hägler, Stuttgart

Japan war bis vor 160 Jahren eine komplett geschlossene Gesellschaft, ein Inselvölkchen mit einem Shogun als Fürsten. Handel mit anderen Ländern gab es nicht, bis im Jahre 1853 eine amerikanische Delegation ankam - und Japan seitdem nach und nach zur wirtschaftlichen Weltmacht wuchs. Und doch sind ein paar Eigenheiten geblieben. In den Siebziger Jahren etwa versuchte sich das Möbelhaus Ikea in Japan und scheiterte eklatant - niemand wollte die Billy-Regale aus Europa. Erst 2006 unternahmen die Schweden einen neuen Anlauf, diesmal mit Erfolg. Eine schwedische Managerin schaffte den Durchbruch in dieser beinahe ausweglosen Situation: Eva-Lotta Sjöstedt. Gerade entsteht die achte Ikea-Filiale in Japan.

Jemand, der offenbar viel kulturelles Feingefühl und Durchsetzungskraft vereint, könnte wohl auch die Richtige für einen schwierigen Job in Deutschland sein: Die Rettung von Karstadt. An diesem Mittwoch soll die 47-jährige Sjöstedt SZ-Informationen zufolge vom Karstadt-Aufsichtsrat zur neuen Geschäftsführerin ernannt werden.

Eva-Lotta, wie sie in Schweden alle nur nennen, sei wahrscheinlich die letzte Chance des Traditionsunternehmens, sagen sie bei Karstadt. Sie wäre die erste Frau überhaupt an der Spitze, man kann wohl sagen: endlich: Die Mehrheit der Kunden ist weiblich, die Mehrheit der Belegschaft auch, nur die Chefs waren immer Männer bei Karstadt: Selbstbewusste Typen, die immer Großes mit Karstadt vor hatten und den Laden letztlich gegen die Wand fuhren.

Zuletzt war Andrew Jennings am Werk; ein Mann, dessen Krawatten immer eine Spur zu grell sind, die Einstecktücher noch schlimmer. Der Engländer ist ein freundlicher Verkäufertyp. Aber einer, der den Markt in Deutschland samt seiner Kundinnen nie so ganz verstanden hat.

Von Sjöstedt erwartet man nun Wunderdinge. Viel Zeit bleibt ihr aber nicht. Die Geschäftszahlen sind weiterhin schwierig; alle bei Karstadt hoffen derzeit auf ein starkes Weihnachtsgeschäft. Gleich danach, zum neuen Jahr wohl, wird Sjöstedt einsteigen. Wobei sich die Frage nach den anstehenden Renovierungsarbeiten in Häusern oder dem bislang eher unglücklichen Marken-Portfolio in den Klamotten-Abteilungen nicht zuerst stellt.

Es geht um einen ganz neuen Kurs

Um Karstadt führen zu können, muss man in diesen Zeiten zunächst weiter oben ansetzen. "Die Frage nach den operativen Managementaufgaben steht wohl gar nicht so im Vordergrund", sagt etwa Handelsprofessor Jörg Funder von der Hochschule Worms. "Die Fragen dürften viel mehr größer sein: Welches Unternehmen werde ich führen - und wohin soll es gehen?" Bis vor kurzem war Milliardär Nicolas Berggruen Eigentümer, mittlerweile hat sich der junge österreichische Unternehmer René Benko eingekauft. Er hat dem Vernehmen nach das Sagen und hat zudem bekannte und teils schillernde Investoren mitgebracht: Den Unternehmensberater Roland Berger etwa oder den Diamantenhändler Benny Steinmetz. Kurz nachdem er eingestiegen war, war Karstadt bereits zerlegt worden, in die normalen Häuser und die Premium- und Sporthäuser. Was genau soll Sjöstedt führen?

"Wir erwarten von einem neuen Vorstandschef beziehungsweise einer neuen Vorstandschefin Transparenz und Klarheit darüber, wohin das Gesamtunternehmen gesteuert werden soll", sagt auch Rüdiger Wolff, der als Verdi-Verhandlungsführer in diesen Wochen scharfe Auseinandersetzungen mit dem Konzern über sichere Jobs und Tariflöhne führt. Nach den zahlreichen Meldungen der vergangenen Wochen, wie Veränderungen in der Eigentümerstruktur oder der angeblichen Schließung des Hauses in Stuttgart, bräuchten die Beschäftigten endlich Klartext statt weiterer Gerüchte, fordert der Gewerkschafter. Einen Chef, der Kundenwünsche erkennt, auf die Mitarbeiter zugeht und deren Expertise zu nutzen weiß, wünscht sich Wolff für die 20.000 Karstädter.

Die Prognosen sind nicht schlecht: Nach dem Erfolg in Japan stieg Sjöstedt vor einem Jahr bei Ikea zur Retail-Chefin auf, über 300 Ikea-Filialen unterstanden ihr zuletzt. Klagen hat man keine vernommen hierzulande. Aber wie viele und welche Filialen soll die Schwedin denn nun verwalten? Die 83 normalen Karstadt-Filialen, oder auch die drei Nobelhäuser und die Sportkette? Oder etwa noch einmal hundert mehr, wenn bald Kaufhof dazukommt?

Denn allen Dementis zum Trotz hält sich in der Branche das Gerücht, dass der Metro-Konzern seine Kaufhof-Kette doch noch an Karstadt verkaufen will. "Für mein Dafürhalten wäre die deutsche Warenhaus AG für die Kaufhäuser die beste Option", urteilt Handelsexperte Funder. Mehrere Milliarden Euro würde das kosten - und die Handelslandschaft neu sortieren. "Die Frage, ob Herr Benko dafür genügend Kapital aufbringen kann, sollte jedoch angesichts seiner Investorengruppe mit bekannten Herrschaften wenig zweifelhaft sein", sagt Funder. Wenn es so kommt, dürfte es bald passieren: "Zu warten, ist eigentlich für niemanden sinnvoll." Wenn das zutrifft, dann dürfte es immerhin bald Antworten geben auf die vielen Fragen.

© SZ vom 11.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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