"Wählerbetrug":Verwirrung um die Rentenbeiträge

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Rot-Grün kalkuliert mit Erhöhung, sieht aber zugleich gute Chancen für Stabilität.

Alexander Hagelüken und Andreas Hoffmann

(SZ vom 19.06.02) - Die Opposition wirft der Regierung wegen der unklaren Entwicklung der Rentenbeiträge "Wählerbetrug" vor. Die Koalition kalkuliert im Haushaltsentwurf 2003 mit einem Anstieg des Rentenbeitrags von 19,1 auf 19,3 Prozent, während rot-grüne Politiker öffentlich nach wie vor an stabilen Beiträgen festhalten.

Der CDU-Rentenexperte Andreas Storm kritisierte, die Regierung könne nicht einerseits versprechen, den Rentenbeitrag stabil zu halten, und andererseits einen höheren Beitrag einplanen. "Das ist ein unglaublicher Täuschungsversuch", sagte Storm der Süddeutschen Zeitung.

Union wirft Regierung zu viel Optimismus vor

FDP-Vize Rainer Brüderle nannte die Vorgänge eine "Bankrotterklärung rot-grüner Rentenpolitik". CDU-Vizeparteichef Christian Wulff sprach von einem Fiasko der Bundesregierung. Die Union werde nach einem Wahlsieg eine Beitragserhöhung vermeiden.

Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt warf der Bundesregierung vor, ihre Wirtschafts- und Beschäftigungsannahmen seien viel zu optimistisch gewesen.

Vergangene Woche war die Union selbst in die Kritik geraten, nachdem ihr Sozialexperte Horst Seehofer (CSU) vorübergehend eine Steigerung des Rentenbeitrags um bis zu 0,5 Prozentpunkte angekündigt hatte.

Regierung übt sich in Skepsis

In der neuerlichen Verwirrung um die Rentenbeiträge verteidigt sich die Regierung damit, dass die weitere Entwicklung keineswegs geklärt sei. Erst im November falle die Entscheidung über den Rentenbeitrag des kommenden Jahres.

Aufgrund der Lohn- und Einkommensentwicklung der ersten vier Monate dieses Jahres sei man gezwungen, eine skeptische Prognose in den Haushaltsentwurf aufzunehmen. Es bleibe aber Ziel der Regierung, eine Beitragserhöhung zu vermeiden.

Arbeitslose gefährden Beitragsstabilität

Überdurchschnittlichen Tarifabschlüsse wie in der Metall-Industrie bescheren der Rentenversicherung zusätzliche Einnahmen, so dass dieses Kalkül aufgehen könnte, falls sich die Wirtschaft belebt.

Die unerwartet hohe Zahl von Arbeitslosen spricht aber dagegen, dass die Regierung den Beitrag wie geplant stabil halten kann. SPD-Generalsekretär Franz Müntefering sagte trotzdem, es gebe gute Chancen für Beitragsstabilität.

Für Renten-Lücke an Bundesetat sparen

Der CDU-Rentenpolitiker Storm sagte, seine Partei wolle "Klarheit vor der Wahl". Die Union will die weitere Anhebung der Öko-Steuer Anfang nächsten Jahres aussetzen, wodurch in der Rentenversicherung eine Milliarden-Lücke entsteht. Diese will Storm über Einsparungen im Bundesetat schließen.

Auch sollen Renten- und Krankenkasse nach seinen Vorstellungen nicht finanziell leiden, wenn die Versicherungspflicht für Geringverdiener wegfällt und damit Einnahmen fehlen könnten, sagte der CDU-Abgeordnete.

Unions-Modell bringt erhöhte Rentenbeiträge

Die Regierung wirft der Union wegen dieser Kalkulation ihrerseits Wählertäuschung vor. Die Aussetzung der Ökosteuer und die Sozialversicherungsfreiheit für Billigjobs würden zu einem Anstieg der Rentenbeiträge um bis zu einen Prozentpunkt führen, kritisierte Arbeitsminister Walter Riester (SPD).

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