VW:Schrott-Prämie

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Na, darf’s ein neues Auto sein? Vor dem VW-Werk in Emden stehen Fahrzeuge, verpackt zum Transport. In Emden wird der Passat gebaut, der Konzern nutzt den Ort außerdem als Drehscheibe für den Export aller Modelle. (Foto: Ingo Wagner/dpa)

VW wirbt nun mit einem "Umwelt"-Rabatt für Fahrer, die ihren Diesel verschrotten. Ford bietet Ähnliches. Lohnen sich die Tauschprogramme für die Kunden?

Von Thomas Harloff, Max Hägler und Jan Schmidbauer, München

In einem schienen sich beim Diesel-Gipfel vergangene Woche alle Teilnehmer einig, egal ob aus Wirtschaft oder Politik: Der größte Hebel zu besserer Luft sei es, alte Wagen aus dem Verkehr zu ziehen. Vom "Wechsel in der Flotte" sprachen sie, der müsse kommen. Denn die Software-Nachrüstung von einem Drittel der 15 Millionen Dieselautos in Deutschland werde nicht ausreichen, damit in allen Städten die Luft wieder einigermaßen sauber wird. Nun präsentieren die Hersteller Aktionen, die Kunden dazu bringen sollen, neue Autos zu kaufen, die dann meist sauberer fahren.

Was bietet Volkswagen genau an?

Wer einen Neuwagen der VW-Konzernmarken Volkswagen, Audi, Porsche, Seat und Škoda kauft, bekommt einen Rabatt, dessen Höhe sich am gewählten Modell orientiert. Beispiel Volkswagen: Der Bruttopreis des Kleinwagens Up sinkt zum Beispiel um 2000 Euro, der aller Golf- und Tiguan-Varianten um 5000 Euro, der Passat ist 8000 Euro günstiger zu haben. Volkswagen nennt das "Umweltprämie", integriert aber auch den Geländewagen Touareg in das Programm, der 10 000 Euro billiger wird. Ob es der Umwelt hilft, wenn dank solcher Subventionen plötzlich deutlich mehr dieser schweren SUVs auf die Straßen gelangen, darf bezweifelt werden. Sinnvoller erscheint, was VW "Zukunftsprämie" nennt. Hier bietet die Marke Rabatte für jene Kunden an, die sich für ein Modell mit alternativem Antrieb entscheiden: 1000 Euro für ein Erdgasauto, 1785 Euro für ein Hybridmodell und 2380 Euro für ein reines Elektrofahrzeug. Die Prämie lässt sich mit der staatlichen Förderung und auch mit Volkswagens Umweltprämie kombinieren. Der E-Golf wird damit insgesamt 11 760 Euro günstiger.

Welche Voraussetzungen muss das alte Auto erfüllen?

Das Alter und die Marke des abgegebenen Fahrzeugs, das im Zuge der Aktion verschrottet wird, ist VW zufolge egal. Die Prämie orientiert sich an der Abgasnorm, die Euro-4-Standard oder schlechter sein muss. Außerdem muss es sich um ein Dieselauto handeln. Die Aktion gilt ab sofort und endet am 31. Dezember 2017.

Was machen andere Hersteller?

Ford hat ein ähnlich wie bei VW gestaffeltes System etabliert, bei dem es beim Kauf eines Ka 1750 Euro und für den Mondeo Hybrid 8000 Euro gibt. Knausriger ist BMW. Wer einen Diesel abgibt, spart 2000 Euro, wenn er einen neuen BMW oder Mini kauft. Allerdings auch nur dann, wenn der Neuwagen einen CO₂-Ausstoß von höchsten 130 Gramm pro Kilometer hat. Toyota bietet eine Prämie für Kunden, die sich für ein Hybridmodell entscheiden. Der Bonus von 2000 Euro lässt sich dort mit einer Hybridprämie in gleicher Höhe koppeln. Daimler zahlt 2000 Euro beim Umstieg auf einen Euro-6-Mercedes und 1000 Euro für Kunden, die einen Elektro-Smart kaufen. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) forderte weitere Autobauer auf, sich zu beteiligen: "Die internationalen Hersteller sind dringend aufgefordert, mit vergleichbaren Maßnahmen ihren Beitrag zur Reduzierung von NOx zu leisten", sagte er.

Lohnt sich das? Für Verbraucher seien Vergünstigungen der Autohersteller natürlich interessant, heißt es vom Autofahrerverband ADAC. Der Neuwagenkäufer sollte aber genau hinschauen, ob das Gesamtangebot stimmt und der Restwert eines Altfahrzeuges angemessen berücksichtigt wurde. Die Deutschen kaufen generell gerade recht wenige Autos. Entsprechend hoch sind die Rabatte, die der Autohandel schon vor dem Diesel-Gipfel gewährte. Das Center Automotive Research der Universität Duisburg-Essen stellte fest, dass der durchschnittliche Händlerrabatt für die Top 30 der Zulassungsstatistik bei den großen Internetvermittlern 21 Prozent betrug. Wer beispielsweise einen VW Passat kauft, mittelmäßig motorisiert und ordentlich ausgestattet, bekommt als Listenpreis 50 000 Euro genannt. Der Kunde kann nach dieser Rechnung bereits einen Rabatt von 10 350 Euro aushandeln - und sein altes Auto behalten. VW bietet dagegen nur 8000 Euro fix an und auch nur im Tausch gegen den alten Wagen, der dann Schrott ist.

Es geht also nicht nur um die Umwelt?

Die Rabatte werden auch für den Kauf aktueller Dieselautos gewährt. Doch viele dieser Modelle stoßen große Mengen an Stickoxid aus. Erst Dieselwagen der Stufe Euro 6D werden im Straßenbetrieb getestet und sind damit weitgehend sauber. Die Debatte lässt zudem außer Acht, dass in der Autoproduktion viel Energie und Ressourcen verwendet werden, ein Auto also kein Wegwerfartikel sein sollte. Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) sieht ohnehin einen anderen Hintergrund: Die Prämien dienten vor allem dazu, die Werke wieder stärker auszulasten.

Prämien beim Neuwagenkauf, das gab es doch schon mal?

Im Jahr 2009 gab es ebenfalls einen Rabatt, der damals als "Abwrackprämie" bekannt wurde. Damals bekam 2500 Euro, wer sein altes Auto dem Autoverwerter übergab und sich im Zuge dessen einen Neu- oder Jahreswagen kaufte. Es war ein staatlicher Anreiz, um die schwächelnde Konjunktur anzukurbeln. Diesmal zahlen die Hersteller den Bonus, auch wenn etwa der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) gerne noch eine staatliche Unterstützung sähe, etwa über Vorteile für neue Diesel bei der Kfz-Steuer.

Und was ist mit dem staatlichen Elektroauto-Zuschuss?

Der bleibt von den Aktionen der Hersteller unberührt. Beim Kauf eines reinen Elektroautos gibt es einen Rabatt von 4000 Euro, bei einem Plug-in-Hybrid 3000 Euro. Jeweils zur Hälfte zahlen der Staat und der Hersteller. Allerdings darf der Netto-Listenpreis des gekauften Autos höchstens bei 60 000 Euro liegen. Ganz luxuriöse Wagen fallen also aus der Förderung.

Sind damit Hardware-Nachrüstungen, also neue Katalysatoren, vom Tisch?

Die Industrie möchte Nachrüstungen vermeiden. VW-Chef Müller sagte beim Auto-Gipfel, er wolle nicht, dass sich seine Ingenieure mit der alten Technik herumschlagen. Allerdings könnte der Mix aus neuer Motorsoftware und rabattierten Neufahrzeugen nicht ausreichen - und die Hersteller werden dann doch Nachrüstkatalysatoren anbieten. "Wo es technisch machbar und finanziell angemessen ist", also bei Dieselautos der Stufen Euro 5 und Euro 6, sollten die Hersteller dazu verpflichtet werden, fordert etwa der ADAC. Damit ließen sich Emissionen nachweislich um bis zu 90 Prozent reduzieren. Dass dies nicht angeboten werde, liege daran, dass die Politik vor den ökonomischen Interessen der Konzerne "eingeknickt" sei. Ein Auto mit Rabatt macht sich besser in der Statistik als die Reparatur eines alten.

© SZ vom 09.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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