VW:Sauber durch den Diesel-Skandal

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  • Die Diesel-Affäre um manipulierte Abgastests hat Lücken im Compliance-System von VW offengelegt.
  • Darum will der Konzern nun einen eigenen Vorstand für das Ressort Compliance und Recht installieren.

Von Thomas Fromm, München

Bis vor drei Wochen glaubte man bei Volkswagen, dass alle Frühwarnsysteme funktionieren. Dass das Unternehmen gut geführt ist, Regelverstöße rechtzeitig erkannt werden und die Kommunikation funktioniert. Es gab in der Rechtsabteilung einen sogenannten "Chief Compliance Officer", der an den Vorstandsvorsitzenden berichtete, und externe Ombudsmänner, die VW-Mitarbeiter anrufen konnten, wenn sie der Meinung waren, dass in ihrer Abteilung etwas schiefläuft. Der Konzern, der schon vor zehn Jahren mit einer Affäre um Schmiergelder, Lustreisen und Bordellbesuche auf Firmenkosten in den Schlagzeilen war, wähnte sich nun in Sicherheit.

Bis jetzt. Die Diesel-Affäre um manipulierte Abgastests hat Lücken im Compliance-System offengelegt und Fragen aufgeworfen. Zum Beispiel: Wie konnte es passieren, dass bereits Anfang September VW-Mitarbeiter in den USA die Schummeleien eingestanden, das Thema aber erst Wochen danach an die Öffentlichkeit kam?

Der Konzern zieht nun die Konsequenzen: Nach Informationen von Süddeutscher Zeitung und NDR/WDR will VW nun einen eigenen Vorstand für das Ressort Compliance und Recht installieren. Dies sei "der nächste logische Schritt", heißt es aus Kreisen des Unternehmens. Insider rechnen damit, dass dieses Amt relativ kurzfristig - also bereits in den nächsten zwei bis drei Wochen - besetzt werden könnte. Entsprechende Gespräche mit möglichen Kandidaten laufen bereits.

Prominente Vorbilder

Für die geplante Vorstandsposition gibt es prominente Vorbilder. 2007, auf dem Höhepunkt der Korruptionsaffäre bei Siemens, zog der Amerikaner Peter Solmssen bei dem Münchner Konzern ein. Als Rechtsvorstand sollte er nicht nur die internen Ermittlungen vorantreiben und Lücken in den Frühwarnsystemen des Unternehmens schließen. Da dem Konzern in den USA Milliardenstrafen drohten, kümmerte sich der Amerikaner Solmssen auch um die juristischen Probleme in Übersee.

Oder Christine Hohmann-Dennhardt. Die frühere Richterin am Bundesverfassungsgericht ist seit 2011 Daimler-Vorstand für das neu geschaffene Ressort "Integrität und Recht" - und die erste Frau im Vorstand des Mercedes-Herstellers.

Der Konzern arbeitete jahrelang eine Korruptionsaffäre auf; auch die amerikanische Börsenaufsicht SEC ermittelte gegen die Stuttgarter. Der Autobauer hatte sich am Ende mit dem US-Justizministerium und der SEC geeinigt und 185 Millionen US-Dollar bezahlt, wurde danach aber noch von dem externen Berater und ehemaligen FBI-Chef Louis Freeh beaufsichtigt - es war ein Fall für einen eigenen Vorstand. Solmssen und Hohmann-Dennhardt sind so etwas wie Blaupausen für das, was VW nun bevorsteht: Aufarbeitung nach innen, Vertrauen schaffen nach außen. Ein solcher Vorstandsposten signalisiert: Wir meinen es ernst mit der Aufklärung.

Allein in den USA, wo der Skandal um manipulierte Abgaswerte mit rund 500 000 Autos seinen Anfang nahm, könnte VW die Affäre an die 18 Milliarden Euro Strafe kosten. Hier interessieren sich nicht nur Kunden und Behörden für die Affäre, auch Bundesstaaten und erste Landkreise gehen gegen den Konzern vor. Die Lage ist für Volkswagen vertrackt. Die Fälle Daimler und Siemens haben gezeigt: Es gibt Situationen, da genügt es nicht, nur Vorstände für Finanzen, Marketing und Technologie zu haben.

© SZ vom 09.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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