VW:Im Stresstest

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Dieselaffäre, Frauenquote und ein zu allem entschlossener Investor: Der VW-Aufsichtsrat bereitet eine Hauptversammlung vor, von der bereits feststeht, dass sie für den Vorstand sehr unangenehm wird.

Von Thomas Fromm, München

Am 5. Mai 2015 war die Welt für VW - gerade wieder - in Ordnung. Zumindest nach außen. Es war der Tag der Hauptversammlung; der Konzern hatte in den vorangegangenen Wochen einen erbitterten Machtkampf zwischen Vorstand und Aufsichtsratschef erlebt, an dessen Ende der langjährige VW-Chefkontrolleur und Autopatriarch Ferdinand Piëch aus dem Amt gedrängt wurde. Der Vorstandsvorsitzende hieß damals noch Martin Winterkorn, und der stand nun vor seinen Aktionären in Hannover und lobte VW als ein "kerngesundes, gut aufgestelltes Unternehmen". Und er sagte: "Hinter uns liegen - vorsichtig gesagt - bewegte Tage."

Was er damals wohl nicht ahnte: Die bewegtesten Tage hatte der Konzern noch vor sich. Fünf Monate später war Winterkorn weg, der Konzern steckte wegen der Dieselaffäre in der größten Krise seiner Geschichte, und verglichen mit dem, was bei der diesjährigen Hauptversammlung am 22. Juni ansteht, dürfte das Treffen damals eine Art Kindergeburtstag gewesen sein.

Die Zeit drängt, in diesen Tagen muss die Einladung für das Aktionärstreffen in Hannover rausgehen. Aktionäre wie der britische Hedgefonds TCI, der über nicht stimmberechtigte Vorzugsaktien zwei Prozent an VW hält, sind über die Dauerbaustelle Volkswagen alles andere als erfreut. Der Investor fordert mehr Effizienz, höhere Renditen und vor allem mehr Bescheidenheit bei Boni-Zahlungen. Und er könnte schrittweise einen radikalen Umbau bei VW einleiten.

TCI ist zwar ein kleiner Aktionär, aber er sucht Partner und könnte andere wie den Großaktionär Katar mit ins Boot holen. Die Araber sind mit ihrem 17-Prozent-Anteil der drittgrößte Investor in Wolfsburg, nach den Familien Porsche und Piëch und dem Land Niedersachsen. Schon mehrmals haben sie mehr Mitsprache für ihre 17 Prozent verlangt. Sie wollen neben den Familien, den IG-Metall-Vertretern und dem Land Niedersachsen, das 20 Prozent an VW hält, ebenfalls einen Sitz im sechs-köpfigen Aufsichtsratspräsidium.

Denn wer hier einen Platz hat, der hat die Macht. An der Spitze des Aufsichtsrates werden jene strategischen Entscheidungen vorbereitet, über die später der gesamte Aufsichtsrat debattiert.

Die arabischen Investoren waren lange still - es lief ja auch rund bei VW. Seit dem Dieselskandal aber sind die Scheichs nervös geworden. Viele Optionen haben sie nicht: Aussteigen oder aktiv mitgestalten - wenn nötig auch gegen den Willen der anderen VW-Eigentümer.

Warten auf Käufer: Bei VW gehen die Verkaufszahlen inzwischen zurück. (Foto: Ronny Hartmann/AFP)

Die Lage ist brenzlig, und auch deshalb mussten die 20 Aufsichtsräte, die an diesem Dienstag das Treffen vorbereiteten, genau überlegen, was sie in ihre Einladung zur diesjährigen Hauptversammlung schreiben.

Schwierig ist schon die Frage, ob man die Vorstände für 2015 überhaupt entlasten kann

Es beginnt mit der Frage aller Fragen: Soll der Aufsichtsrat den Aktionären empfehlen, die Vorstände für das Geschäftsjahr 2015 zu entlasten? Oder sollen sie die Entlastung abblocken? Die Sache ist nicht eindeutig: Derzeit heißt es, einzelne Vorstände seien nicht an den Diesel-Manipulationen beteiligt gewesen. Noch aber sind die internen Ermittlungen der vom Aufsichtsrat beauftragten Kanzlei Jones Day nicht abgeschlossen, eine frühzeitige Entlastung wäre also riskant. Verweigerte man die Entlastung, würde dies die Vorstandsriege unter kollektiven Generalverdacht stellen und schwächen. Möglich wäre also nach Meinung von Insidern eine diplomatische Lösung: Die Aufsichtsräte könnten mit der Entlastung noch warten - solange, bis der fertige Ermittlungsbericht vorliegt. Als besonders schwierig wird die Rolle von Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch eingeschätzt: Der langjährige VW-Finanzvorstand ist erst seit vergangenem Herbst an der Spitze des Kontrollgremiums - nun soll er selbst über die Entlastung der Vorstände entscheiden.

Innerhalb des Gremiums dürfte es darüber hinaus zu bedeutenden Neuerungen kommen. Das Emirat Katar will mit Hessa Al-Jaber erstmals eine Frau in den VW-Aufsichtsrat schicken; dafür soll einer der beiden Katar-Vertreter im Aufsichtsrat den Platz räumen. Seit Anfang des Jahres gilt bei Neubesetzungen im Aufsichtsrat eine Frauenquote von 30 Prozent. Derzeit kontrollieren die Gewerkschafterin Babette Fröhlich, die schwedische Bankmanagerin Annika Falkengren und die Familienvertreterin Louise Kiesling VW.

So oder so wird es eine turbulente Veranstaltung im Juni. Oder, wie es aus Konzernkreisen heißt: "eine kleine Herausforderung". Vor allem der als aktivistischer Investor berüchtigte Hedgefonds TCI ist nur schwer einzuschätzen. Dessen Manager monieren, dass der Konzern nicht profitabel genug arbeite - und gehen damit nicht nur auf Konfrontation zum Management, sondern auch zu den einflussreichen Arbeitnehmervertretern und zum Land Niedersachsen. Der große Machtpoker hat begonnen.

© SZ vom 11.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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