VW-Hauptversammlung:Warten auf Amerika

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Volkswagen-Logos im Wolfsburger Werk: Die Dieselaffäre hat den jährlichen Finanzkalender des Autoherstellers durcheinandergebracht. (Foto: Jochen Lübke/dpa)

VW und die verschobene Hauptversammlung: Was heißt das für die Aktionäre? Wie lange darf der Konzern damit warten? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Max Hägler, Stuttgart

Die Mitteilung fügte sich in das Bild von Volkswagen der vergangenen Monate: Mal wieder eine Überraschung, diesmal, am vergangenen Freitag, ging es um die Verschiebung der Bilanzpressekonferenz und der Hauptversammlung. Nicht im März und April werden diese stattfinden, sondern einige Wochen später.

Wieso hat Volkswagen diese Hauptversammlung verschoben?

Natürlich sind das Auswirkungen des Skandals um manipulierte Dieselmotoren, der im vergangenen September seinen Lauf nahm. Vor allem die Probleme in den USA sind weiterhin sehr schwer abzuschätzen, heißt es in Konzernkreisen: Die Reparaturlösungen für die manipulierten Motoren sind dort immer noch nicht endgültig genehmigt. Von diesen Gesprächsergebnissen sind aber die Strafzahlungen und die Kosten für die technische Nachrüstung und auch den Schadenersatz abhängig; im Idealfall will VW das allermeiste über einen außergerichtlichen Entschädigungsfonds lösen, den der US-Staranwalt Kenneth Feinberg als Schlichter mitverwalten soll. Darüber würde man wohl gerne auf der Hauptversammlung berichten und auch erklären, wie viele Milliarden Euro dort eingezahlt werden müssen. Hängt das mit der Bilanz zusammen? Durchaus, die Risiken und Rückstellungen müssen dort konkret beziffert werden. "Ich denke, dass sich der Konzern deswegen schwer tut, den Jahresabschluss fertig zu bekommen", sagt Ulrich Hocker, Präsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Würde VW geschätzte Zahlen vorlegen, wäre das "eine Katastrophe, die viele verunsichert". Am Freitag hatte der Konzern den angepeilten Termin im März abgesagt; das Gesetz fordert eine Vorlage bis Ende April.

Weswegen muss VW überhaupt auf der Hauptversammlung davon berichten?

Eine Hauptversammlung ist eines der drei vom Gesetz festgelegten "Organe" einer Aktiengesellschaft (neben dem Vorstand und dem Aufsichtsrat). Die Eigentümer des Unternehmens haben an diesem Tag ein ausgedehntes Frage- und Informationsrecht: Jeder Aktionär - egal ob geschliffener Vertreter eines milliardenschweren US-Finanzfonds oder kleiner, niederbayerischer Einzelaktionär - kann vom Rednerpult aus fragen; die Manager müssen auf sehr vieles antworten. Vor allem aber beschließt dieses Organ wer in den Aufsichtsrat kommt, wie der Gewinn verwendet wird oder ob der Vorstand entlastet wird. Bei VW sind indes die Entscheidungen meist recht klar: Das Land Niedersachsen und die beiden Familien Porsche und Piëch können mit ihrer Mehrheit weitgehend regieren.

Gibt es andere Beispiele für solche Verschiebungen?

Das ist ungewöhnlich, kommt aber vor. Die Postbank hat das im vergangenen Jahr getan, weil der Mehrheitseigentümer Deutsche Bank recht spontan die Gelegenheit einer Hauptversammlung dazu nutzen wollte, sich eine 100-Prozent-Mehrheit zu verschaffen, was aber einiger Vorbereitungen bedurfte. Das schwäbische Solarunternehmen Centrotherm verschob im Laufe eines Insolvenzverfahrens eine Versammlung, weil noch kein Sanierungskonzept vorlag.

Könnte Volkswagen die Versammlung bis zum Sankt Nimmerleinstag verschieben?

Nein, das Aktiengesetz schreibt vor, dass diese Versammlung innerhalb der ersten acht Monate des Geschäftsjahres stattfinden muss. Es ist nicht zu erwarten, dass VW das ausreizt, denn die Mehrheit der Aktien liegt gebündelt bei der Eigentümerfirma Porsche Holding (die zum allergrößten Teil wiederum von den Familien Piëch und Porsche beherrscht wird). Diese Finanzholding ist eine europäische Aktiengesellschaft, kurz SE; hier ist eine Hauptversammlung innerhalb der ersten sechs Monate vorgeschrieben. Und weil quasi alle Holding-Ergebnisse auf den VW-Ergebnissen aufbauen, liegt es sehr nahe, dass wie bisher erst die VW-Aktionäre zusammenkommen und kurz danach die Porsche SE-Aktionäre - eben bis spätestens Ende Juni.

Müssen die Aktionäre von VW-Aktien etwas besonderes beachten?

Da der VW-Vorstand die Eigentümer noch gar nicht formal eingeladen hat, bleibt für die Aktionäre alles beim alten, nur den Terminblocker für den 21. April können sie aus dem Kalender löschen.

Wird die Hauptversammlung ans Licht bringen, wer die Dieselmanipulation zu verantworten hat?

Das ist eher nicht zu erwarten. Denn Volkswagen möchte Ende April einen Zwischenbericht zum "Dieselthema" vorlegen. Dieser Termin, das betonen sie in Wolfsburg, werde auch nicht verschoben. Zudem hat das Informations- und Fragerecht auch Grenzen; so könnten Vorstand und Aufsichtsrat recht schnell darauf verweisen, dass die Manipulationen Gegenstand "laufender strafrechtlicher Ermittlungen" sei und man sich deswegen über die Informationen im Zwischenbericht hinaus nicht äußern könne, schätzt der Jurist David Eckner, Geschäftsführer des Instituts für Unternehmensrecht an der Uni Düsseldorf: "Das wird keine vorgezogene Gerichtsverhandlung, auch wenn das potenzielle Kläger vielleicht hoffen".

© SZ vom 09.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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