Volkswagen:Vorwärts

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Betriebsräte? Manager? Co-Manager? In einer Zeit, in der VW der größte Umbau seit Jahren bevorsteht, hat die IG Metall dort Macht wie nie.

Von Thomas Fromm, München

Es gibt Menschen, die nennen Bernd Osterloh, 58, einen "Co-Manager". Weil er bei Volkswagen Macht und Einfluss hat wie sonst nur Konzernchef Martin Winterkorn. Gegen den starken Betriebsrat kann in den Gremien des Unternehmens nicht regiert werden - deswegen klärt man als Vorstand wichtige Entscheidungen am besten vorher. Mit Osterloh.

Der VW-Betriebsratschef kann mit dem Begriff des Co-Managers gar nichts anfangen. Vielleicht, weil "Manager" zu sehr nach der anderen, der Seite des Kapitals klingt. Er spricht lieber von Mitbestimmung. "Ich manage maximal die Interessen der Beschäftigten", sagte er vor einiger Zeit im SZ-Interview.

Ohne Osterloh, den managenden Betriebsrat, geht bei VW nichts - auch deshalb waren die Gerüchte der vergangenen Monate brisant: Wird der Gewerkschafter die Seite wechseln und Nachfolger von VW-Personalvorstand Horst Neumann?

Als Betriebsratschef hat Osterloh großen Einfluss - deshalb soll er nicht Vorstand werden

Dessen Zeit im Personalressort läuft Ende des Jahres ab, und auf die Frage, ob er einen Wechsel Osterlohs für "verwerflich" halte, sagte VW-Chef Martin Winterkorn neulich in einem Interview: "Warum? Ich habe mit solchen Wechseln keine Probleme." Die Botschaft war klar: Wenn er kein Problem damit hat, dann hat niemand ein Problem. Dann geht die Sache in Ordnung.

Wenn mehrere zehntausend VW-Arbeiter demonstrieren: aufgenommen im September 2008 vor der Konzernzentrale in Wolfsburg. (Foto: Jochen Lübke/dpa)

Allerdings: Der Betriebsrat hat nach SZ-Informationen andere Pläne. "Osterloh will die Mitbestimmung bei Volkswagen weiter stärken", heißt es aus Betriebsratskreisen. Er werde "dort gebraucht, wo er heute ist". Besonders "in der heutigen Situation der Veränderung" sehe man sich "als Stabilitätsanker". Also: kein Wechsel in den Vorstand. Wer es am Ende wird, das soll im November entschieden werden.

Hier die Position des wohl mächtigsten Betriebsrats der Autoindustrie. Da die Verlockung eines Vorstandspostens, der laut VW-Vergütungsbericht im vergangenen Jahr mit 6,48 Millionen Euro dotiert war.

Geld oder Macht? So wie es aussieht, entscheidet sich der Betriebsratschef für die Macht und gegen das Geld.

Die IG Metall baut ihre Macht bei VW weiter aus. Der frühere IG-Metall-Chef Berthold Huber war schon im Frühjahr nach dem Rücktritt von VW-Patriarch Ferdinand Piëch zum Interims-Aufsichtsratschef aufgestiegen - ein IG Metaller an der Spitze des Kontrollgremiums eines Dax-Konzerns, das war ein Novum. Wann Huber durch einen Kandidaten der Eigentümerseite abgelöst wird, ist offen. Aus dem Umfeld Hubers heißt es: sechs Monate und nicht mehr. Das wäre dann frühestens im Oktober oder November. Vor einigen Tagen zog Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück in den VW-Aufsichtsrat und ersetzte den langjährigen Betriebsratschef der VW-Lkw-Tochter MAN, Jürgen Dorn, der seinen Job als Arbeitnehmervertreter von heute auf morgen abgab und ins VW-Management wechselte.

Sparen

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(Foto: picture alliance / dpa)

Fünf Milliarden Euro soll die Kernmarke VW in den kommenden Jahren einsparen, sagt der Vorstand. Dafür wird der Konzern seit Monaten auf der Suche nach Sparmöglichkeiten durchforstet. Der Betriebsrat meint sogar, dass sich noch mehr freischaufeln lässt - wenn man die Sache nur richtig angeht. Eines ist für die Arbeitnehmervertreter tabu: Einschnitte in bestehende Tarifverträge.

Man kann es so sehen: Der Machtkampf vom Frühjahr zwischen dem früheren Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch und Winterkorn hat zwar den VW-Chef gestärkt. Er hat aber vor allem die IG Metaller im Konzern noch stärker gemacht. Sie fanden ein Machtvakuum, sie füllten es, und nun nutzen sie es.

Das auf die mächtige Zentrale zugeschnittene Zwölf-Marken-Reich soll reformiert werden, alles soll schlanker werden, die einzelnen Marken und die Regionen könnten am Ende gestärkt werden. Die Rede ist von neuen Markengruppen, die unabhängiger von Wolfsburg agieren könnten. Gleichzeitig müssen gigantische Summen in die Elektroantriebe von morgen investiert werden. Die Stammmarke VW ist nicht sehr profitabel, und gleichzeitig bröckelt mit China einer der Hauptgewinnbringer des Konzerns weg. Nun sollen in den kommenden Jahren Milliarden eingespart werden.

Als es im vergangenen Jahr um die Frage ging, wie VW effizienter werden kann, legte der Betriebsrat dem Vorstand ein eigenes 400-Seiten-Papier mit Vorschlägen vor. Und seit der Konzern über eine neue Struktur diskutiert, die im Herbst unter Dach und Fach sein soll, ist es Osterloh, der aus der Deckung kommt und erklärt, worum es ihm geht: Er wünscht sich weniger Macht für die Konzernzentrale, mehr Verantwortung für die Regionen, mehr Diskussionen über Modelle. Im Frühjahr mischte er sich in den Showdown zwischen Winterkorn und Piëch ein: Er nannte Winterkorn einen "Glücksfall für das Unternehmen". Die Botschaft: Wir stehen hinter Winterkorn, einen Kampf gegen die Arbeitnehmer kann nicht einmal Großaktionär Piëch gewinnen.

Die drei von der IG Metall, von links Gesamtbetriebsratschef Bernd Osterloh, VW-Aufsichtsratschef Berthold Huber und Kontrolleur Uwe Hück von Porsche. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

"Auf der IG Metall lastet nun eine sehr große Verantwortung."

Hinter den Kulissen laufen die Drähte heiß, es wird hart verhandelt, heißt es aus dem Konzern. Einer der Hauptakteure seit Anfang Juli: Der frühere BMW-Manager Herbert Diess, der als Chef der Marke VW von München nach Wolfsburg geholt wurde. Diess gilt als wenig zimperlich, wenn es ums Sparen und Sanieren geht - viele BMW-Zulieferer erinnern sich noch mit Schaudern an die harten Verhandlungen mit dem Kostensenker. Diess muss nun sehen, dass er die Gewinnmarge der Marke VW verbessert - dafür könnte er mit einer alten Tradition aufräumen: Anders als andere Autohersteller, kümmert sich VW noch immer um vieles selbst, zum Beispiel Getriebe und Achsen. Was also, wenn man diese Arbeit einfach auslagert? Für einen wie Diess wäre dies ein klassisches Management-Rezept. Für einen VW-Betriebsrat aber wohl eher ein Sakrileg.

Kann sich der Ex-BMWler Diess durchsetzen? Wie werden sie zusammenkommen, der Mann, der als Sparer und Umbauer geholt wurde, und die Arbeitnehmervertreter? "Auf der IG Metall lastet nun eine sehr große Verantwortung", sagt Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. "Sie ist Teil des Managements und muss beide Seiten zufriedenstellen, das ist nicht ganz ohne."

Wenn ein Konzern im Umbruch ist, werden Personalien im Konzern besonders aufmerksam verfolgt. Auch die des Jürgen Dorn. Mitte Mai tauchte er noch einmal in seiner alten Rolle als MAN-Betriebsratschef auf. Er schrieb einen Betriebsrats- brief an seine Kollegen. Thema: Die neue VW-Nutzfahrzeugholding, in der die beiden Konzerntöchter MAN und Scania in Zukunft zusammenarbeiten sollen - und die nicht wenige im Konzern als Ende einer großen Münchner Lkw-Geschichte sehen.

Von einer "Zerschlagung von MAN", wie es die Kritiker formulierten, könne keine Rede sein. "Vielmehr stehen wir am Beginn von etwas großem Neuen", pries der 48-jährige seinen Kollegen die Neuordnung an.

Was zu dem Zeitpunkt nur wenige wussten: Auch Dorn stand da bereits am Beginn von etwas Neuem. Einige Tage später schrieb er seinen Abschiedsbrief. "Ich werde zum 1. Juni eine Management-Funktion im Personalwesen von Volkswagen antreten", heißt es dort. Wo genau, teilte er nicht mit. Angeblich soll er von dort als gut dotierter Manager zu der Augsburger MAN-Tochter Renk weiterziehen. Dort aber weiß man von nichts. "Das entzieht sich meiner Kenntnis", sagt ein Sprecher. Da Dorn auf Nachfrage nicht Stellung nehmen wollte, bleibt sein weiterer Werdegang bis auf Weiteres: ein Mysterium.

Betriebsräte, Manager oder Co-Manager - manchmal sind die Übergänge fließend.

© SZ vom 11.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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