Volkswagen:Gut verdient trotz Krise

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Der Dieselskandal ist noch lange nicht bewältigt, aber auch der Wolfsburger Automobilkonzern hat jetzt große Elektropläne - womöglich mit einer neuen Marke.

Von Max Hägler, Wolfsburg

Diese letzten Fragen zu Finanzierungsthemen, die bekommen sie auch noch rum, dann ist es überstanden. Jetzt ist nichts Kritisches mehr zu erwarten von den Journalisten, die aus der ganzen Welt angereist sind zur Jahresbilanz 2016 von VW in Wolfsburg. Vorstandschef Matthias Müller lehnt sich zurück, beugt sich dann zu seinem Kollegen Karlheinz Blessing, schwätzt ein bisschen und schmunzelt.

Die große Anspannung ist erkennbar weg. Eineinviertel Stunden hatten sie bei Volkswagen über die Lage des Konzerns referiert, der doch ein Krisenkonzern ist. Und dann noch einmal so lange Fragen beantwortet. Da ging es schon um schwierige Themen: Der Dieselskandal, von Leuten im eigenen Haus verursacht. Die Angriffe des Großaktionärs und früheren Patriarchen Ferdinand Piëch auf den eigenen Laden. Es geht um Tausende Jobs, um Milliarden Euro, um die Existenz. Weiterhin.

Aber andererseits: Sie sind es halt gewohnt mittlerweile in Wolfsburg, haben eine gewisse Routine entwickelt. Und es ist ja vor allem auch so, dass sich Volkswagen ein wenig freigeschwommen hat. Der Umsatz der VW-Gruppe stieg im vergangenen Jahr um knapp zwei Prozent auf 217 Milliarden Euro. Unterm Strich betrug der Gewinn 5,1 Milliarden Euro, nach einem Milliardenverlust ein Jahr zuvor. Für Müller bedeutet das übrigens ein Gehalt von 7,25 Millionen Euro. Und dann hat der Konzern auch noch die meisten Autos abgesetzt. Es hätte schlechter sein können. "Manchmal ist das Leben nicht ohne Ironie", lautet der erste Satz im an diesem Tag veröffentlichten Geschäftsbericht.

Das passt ganz gut. Bis zum Jahr 2025 sieht Müller den Konzern als Nummer eins in der Elektromobilität, "wenn unser Plan aufgeht": Mit eigener Batteriezellenfertigung und günstigen, kleinen E-Mobilen in Fernost, wo man dafür vielleicht sogar eine 13. Marke schaffen will. Einen zweistelligen Milliardenbetrag will Volkswagen dazu investieren und setzt ebenfalls auf selbstfahrende Taxis, die Anfang des kommenden Jahrzehnts auf die Straßen kommen sollen.

Die Frage, wer wann von den Manipulationen wusste, ist noch immer ungeklärt

Große Pläne, die bislang allerdings noch dem "Diesel" untergeordnet sind. Die Auf- und Abarbeitung dieser Krise, das habe "unverändert höchste Priorität". Weil man noch nicht alle Fahrzeuge in Ordnung gebracht habe, wie Müller sagt, weil die rechtliche Aufarbeitung noch nicht vollständig abgeschlossen sei, weil man noch ein gutes Stück Weg vor sich habe, "um das Vertrauen unserer Kunden" zurückzugewinnen. Im September des Jahres 2015 war durch den Druck von US-Behörden aufgeflogen, dass Hunderttausende VW-Autos in Amerika, und insgesamt elf Millionen in der ganzen Welt mit manipulierten Motoren herumfuhren: Die VW-Ingenieure hatten die Software so eingestellt, dass bei Prüfungen bessere Abgaswerte herauskamen als in der Realität. Mehrere Millionen Wagen sind mittlerweile bereinigt, aber der Ärger bleibt. Just an diesem Bilanztag hat die Deutsche Umwelthilfe Klage eingereicht: Die Reparaturen seien ungenügend. Ein getesteter Golf würde auch nach dem Update weiterhin dreimal so viel Stickoxid ausstoßen als erlaubt. Es sei alles überprüft und in Ordnung, sagt Müller dazu. Der Forderung nach Entschädigungszahlungen außerhalb der USA widersetzen sie sich jedenfalls mit aller Kraft, egal ob das vor Gericht eingefordert wird oder von der EU-Kommission. Denn das würde teuer. Vielleicht so teuer, dass VW nicht mehr der Konzern wäre, der er heute ist, mit seinen zwölf Marken, die übrigens allesamt Gewinn abwarfen.

Sorgenkind ist dabei jedoch die Kernmarke VW. Die ist für die Hälfte des Umsatzes verantwortlich, aber enorm ineffizient: Nicht einmal zwei Prozent Rendite bringen Golf und Passat. Markenchef Herbert Diess will die Quote per Sparmaßnahmen verdoppeln, einigem Widerstand der Belegschaft zum Trotz: "Ich finde, ich habe eine gute Rückendeckung", sagte er.

Und dann ist da noch die weiterhin andauernde Frage, wer wann von der Dieselmanipulation wusste. Niemand der Vorstände, die hier vorne sitzen, beteuert Müller. Und doch sind zahlreiche Klagen anhängig, die vor allem darauf zielen, dass die Aktionäre zu spät informiert wurden. Auch hier geht es um Milliarden. Es ist das größte Risiko. "Wir haben keine Vorkehrungen getroffen, weil wir nicht wissen, was auf uns zukommt", sagt Müller. Er hofft, dass alles im Rahmen dessen bleibt, der jetzt bereits bekannt ist, also nicht viel zu den 22,6 Milliarden Euro dazu kommt, die sie zurückgestellt haben. Dabei dürfte Ferdinand Piëch eine Rolle spielen. Der führte hier früher die Geschäfte, war der Patriarch, doch seit er ausgeschieden ist, versucht er das Lebenswerk zu demontieren.

Vor wenigen Wochen sind seine Vorwürfe bekannt geworden, denen zufolge maßgebliche Leute früher Bescheid gewusst hätten von dem Dieselskandal, als bislang eingestanden. Alle bestreiten das zwar, aber zugleich überlegen sie in Wolfsburg, was als nächstes kommt vom alten Patriarchen. Will er wirklich das zugrunde richten, was er selbst mit aufbaute? Was wird er dazu noch auspacken? Er habe ihn jedenfalls nicht darum gebeten, Ruhe einkehren zu lassen, sagt Müller: "Ich stehe nicht mit ihm in Kontakt."

© SZ vom 15.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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