Volkswagen:Eine Menge Klagen

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Für den Konzern könnte es teuer werden. Etwa zehn Milliarden Euro fordern allein Anleger als Schadenersatz für Kursverluste infolge des Dieselskandals.

Von Max Hägler und Stefan Mayr

Wenn Andreas Tilp über seine Klage gegen Volkswagen spricht, dann gibt er nicht den Anwalt aus der Provinz, sondern den wuchtigen Jaguar-Fahrer. "Wir werfen VW vor: Ihr seid Risiken eingegangen, die hättet Ihr publizieren müssen", sagt er. Die Kernfrage, die das Oberlandesgericht Braunschweig zu klären hat, lautet: Ab wann waren diese Risiken so groß, dass Volkswagen sie hätte publizieren müssen?

Der Konzern betont vehement, die verantwortlichen Manager hätten zum frühestmöglichen Zeitpunkt über die Risiken informiert, die durch die Ermittlungen der US-Behörden entstanden seien. Somit seien alle Mitteilungspflichten erfüllt, die Vorwürfe unzutreffend, denen übrigens auch die Staatsanwaltschaft nachgeht. Andreas Tilp sagt hingegen: "VW schreibt in den Geschäftsberichten ab 2008, man habe alle US-Risiken versichert und Rücklagen gebildet. Das ist eine falsche Aussage." Schließlich habe das Unternehmen von dem betrügerischen "Defeat Device", also dieser illegalen Abgas-Abschaltung, gewusst oder zumindest wissen müssen. "Volkswagen muss beweisen, dass keine grobe Fahrlässigkeit und keine Kausalität vorliegt. Das wird nicht gelingen."

Auf einem Blatt Papier hat Tilp einen Zeitstrahl abgebildet. Am Ende der Skala steht das Datum 28. Mai 2014. Da habe es in Wolfsburg ein Treffen mit Bosch-Managern und dem damaligen VW-Vorstandschef Martin Winterkorn gegeben, sagt Tilp. Thema: die "Akustikfunktion", so nannten VW-Ingenieure die Abschalteinrichtung. "Wer nach dem 28. Mai 2014 VW-Aktien gekauft hat, hat verdammt gute Karten", behauptet Tilp, der dieses Treffen als Beleg sieht, dass VW Bescheid wusste. Der Konzern widerspricht.

Doch auch Entschädigungen für Aktienkäufe vor diesem Datum seien "erfolgversprechend", sagt Tilp. Wenn es nach dem Rechtsanwalt ginge, müsste der Konzern bereits vom 6. Juni 2008 an haften. Dieses Datum steht am Anfang seines Zeitstrahls. Damals wurden die "Dieselgate"-Motoren in den USA zugelassen. Von diesem Zeitpunkt habe also das Risiko bestanden, dass der Betrug eines Tages auffliegt. Und über dieses Risiko sei kein Außenstehender informiert worden.

Insgesamt fordern Aktionäre von VW und der Muttergesellschaft Porsche SE wohl etwa zehn Milliarden Euro, sagt Andreas Tilp. Kläger sind neben ihm Kanzleien wie Nieding + Barth oder Quinn Emanuel Urquhart & Sullivan. Nicht einberechnet sind dabei die Klagen von Autokäufern: Tausende Besitzer von Fahrzeugen mit manipulierten Motoren klagen auf Schadenersatz oder werden bald klagen. 200 Fälle wurden bislang in erster Instanz verhandelt; in einem Viertel seien die Autobesitzer erfolgreich gewesen, teilte VW jüngst mit.

© SZ vom 10.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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