Volkswagen:Die Lust am Billigauto

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Volkswagen will mit dem indischen Autohersteller Tata Motors kooperieren. Das Ziel: ein supergünstiges Fahrzeug für Kunden in Schwellenländern.

Von Angelika Slavik, Hamburg

VW-Chef Matthias Müller jongliert in diesen Tagen mit Vergangenheit und Zukunft. Die Vergangenheit, das ist die Dieselaffäre, die Volkswagen immer noch nicht ausgestanden hat. Am späten Freitagabend sollte in den USA ein "Monitor" bestimmt werden - also eine Art externer Aufpasser, der in den nächsten drei Jahren die Geschäfte des Konzerns überwacht. Ein Kindermädchen von den Behörden, wenn man so will. Das ist die Voraussetzung dafür, dass das Unternehmen von den Behörden in den USA nicht noch härter bestraft wird.

Gleichzeitig versucht der Vorstandschef, VW bereit zu machen für die Zeit nach der Dieselaffäre. Am Freitag gab der Konzern bekannt, künftig mit dem indischen Autokonzern Tata Motors kooperieren zu wollen. Die Details sind noch nicht ausverhandelt, bisher haben beide Unternehmen lediglich eine Absichtserklärung unterschrieben. Es solle ausgelotet werden, welche Möglichkeiten der Zusammenarbeit es gebe, hieß es.

Konkret ist offenbar sowohl die Entwicklung von gemeinsamen Fahrzeugkomponenten bis hin zu gemeinsamen Autos denkbar. Zunächst vor allem für den indischen Markt, später sollen gemeinsame Projekte auch in anderen Ländern angeboten werden. Innerhalb des VW-Konzerns ist die Kooperation bei Škoda angesiedelt, also einer Marke, deren Käufer preisbewusster sind als etwa die Zielgruppe von VW oder Audi. Tata Motors ist in Europa als Muttergesellschaft der zugekauften Luxusmarken Jaguar und Land Rover bekannt. In Indien bietet der Kleinwagenspezialist unter anderem das Billigauto Nano an, das schon für 3000 Dollar zu haben ist. Mit der Partnerschaft wolle man Voraussetzungen schaffen, um in neuen, schnell wachsenden Märkten "kundenadäquate" Lösungen anbieten zu können, sagte Müller. Mit der strategischen Überlegung ist Volkswagen nicht allein: Auch viele andere Autohersteller kokettieren mit der Idee extrem günstiger Autos, die sie in Indien und anderen Schwellenländern in Asien und in Lateinamerika anbieten wollen. Renault etwa hat seit 2015 das supergünstige Modell Kwid in Indien auf dem Markt und verzeichnet damit große Erfolge, außerdem gehört die Günstig-Marke Dacia zum Konzern. Peugeot, GM und Toyota versuchen ebenfalls über Kooperationen in den Markt zu kommen.

Für Volkswagen dagegen ist es nicht der erste Versuch, die indischen Käufer zu gewinnen. Vor einigen Jahren hatte sich das Unternehmen mit dem japanischen Autohersteller Suzuki zusammengetan, der mit der Marke Maruti in Indien erfolgreich ist. Die Allianz scheiterte jedoch: Suzuki fand de Wolfsburger zu dominant.

In Indien leben 1,2 Milliarden Menschen, bislang ist die Zahl der Autos vergleichsweise gering. Viel Potenzial für die Autoindustrie also. Allerdings kosten zwei Drittel der in Indien verkauften Fahrzeuge weniger als 5000 Dollar. Wenn Unternehmen wie VW also vom Wachstum dort profitieren wollen, müssen sie ihr Angebot anpassen. Laut Prognosen sollen in Indien im Jahr 2025 etwa 4,7 Millionen Autos verkauft werden, das Land wäre dann der drittgrößte Markt der Welt - hinter China und den USA.

© SZ vom 11.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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