Volkswagen:Der Anti-Piëch

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Neuer Job: Hans Dieter Pötsch. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

VW-Finanzchef Pötsch ist ein ruhiger Zahlenmann und gehört zu keinem Familienclan. Jetzt soll er Aufsichtsratsvorsitzender in Wolfsburg werden.

Von Thomas Fromm, München

Es gibt Menschen in der Wirtschaft, die sind immer da, wenn sie gebraucht werden. Nie ganz vorne in der ersten Reihe, nie im Mittelpunkt, aber irgendwie: doch immer da. Die Leute, die plötzlich mit ihrer Leder-Aktentasche im Saal auftauchen, ein paar Blätter Papier rausholen, Zahlenkolonnen vorlesen, einpacken, noch zwei Sätze sagen zum Geschäft, wieder gehen.

So ein Mann ist Hans Dieter Pötsch, 64 Jahre alt, geboren im österreichischen Linz und seit 2003 Finanzchef von VW. Zwölf Jahre Quartalsberichte, Zahlenkolonnen, zwölf Jahre Geschäfte abwickeln: Übernahme von Scania, MAN, Porsche, Ducati. Ein Mann, dem die Eigentümerfamilien Porsche und Piëch ihre Milliarden anvertrauen. Es gab Zeiten, da wurde Pötsch, der große, hagere Wirtschaftsingenieur aus dem Hintergrund, auch schon mal als Nachfolger von VW-Chef Martin Winterkorn gehandelt. Für den Fall, dass der den Alt-Patriarchen Ferdinand Piëch an der Aufsichtsratsspitze ablösen würde. Nun ist Piëch nach einem lauten Machtkampf im Frühjahr zurückgetreten, Winterkorns Vertrag an der Spitze bis Ende 2018 verlängert.

Und Pötsch? Der Zahlenknacker und Mann für alle Fälle? Soll nun oberster Kontrolleur im Aufsichtsrat werden und dort den Interimschef Berthold Huber ablösen. Der Ex-IG-Metall-Chef war als Zwischenlösung gedacht; daher soll Pötsch im November auf einer außerordentlichen Hauptversammlung in das Gremium gewählt werden, heißt es in einer Mitteilung der Porsche Automobil Holding SE, mit der die Porsches und Piëchs den VW-Konzern kontrollieren. Es werde "angestrebt, Hans Dieter Pötsch zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Volkswagen AG zu wählen".

Winterkorn VW-Chef bis 2018, sein Finanzer oberster Aufsichtsrat: Der Konzern will Kontinuität, und zwar mindestens für die nächsten drei Jahre. Insider berichten, als langjähriger Vorstand kenne Pötsch den Konzern nicht nur in- und auswendig - er habe auch das Vertrauen aller handelnden Akteure, also der Familien Porsche und Piëch, von Gesamtbetriebsratschef Bernd Osterloh und des Landes Niedersachsen als Großaktionär.

Der Hauptgrund für die Pötsch-Personalie liegt aber woanders: Als Piëch im Frühjahr das Feld verließ, blickten Zuschauer und Akteure gespannt in Richtung Familien: Von dort hätte er eigentlich kommen müssen, der natürliche Nachfolger des Alten. Es kam aber niemand, und auch Wolfgang Porsche, der 71-jährige Clanchef der Porsches, winkte ab. Lag es an den großen Fußstapfen des alten Piëch? Ist der Job zu aufreibend? Beides stimmt, aber vor allem ist es dies: Wenn eine Familie das Amt übernimmt, gibt es immer eine, die es nicht bekommt - Ärger ist also programmiert.

Insofern ist Pötsch jetzt die Lösung, hinter der sich alle versammeln können. Er ist ruhig, besonnen, viel mehr Zahlen- als Machtmensch und heißt weder Porsche noch Piëch.

Pötsch ist eine Art Anti-Piëch.

Dies aber führt zu einer weiteren Frage: Wie wird sich das Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden verändern? Die Zeiten des strengen Piëch-Regiments sind vorbei, damit könnte der Konzern ein Stück weit das werden, was viele schon lange fordern: normaler. Doch es gibt auch diesmal Skeptiker: Wird es Pötsch in seinem neuen Amt schaffen, ausgerechnet jenen Winterkorn zu kontrollieren, der noch kurz zuvor sein Vorstandsvorsitzender war? Pikant an der Rochade ist auch: Bei VW wechselt Pötsch die Seiten. Bei der VW kontrollierenden Porsche Automobil Holding SE bleibt er Finanzchef. Sein Vorstandsvorsitzender dort ist aber: Martin Winterkorn. Die VW-Welt ist schon eine besondere Welt.

Und wie so oft lösen gelöste Personalfragen neue Personalfragen aus. Zum Beispiel diese hier: Wer wird Pötsch als Finanzchef bei VW beerben? Es soll mehrere Kandidaten geben. Einer, der intern hoch gehandelt wird, ist der amtierende Audi-Chef Rupert Stadler. Als Finanzmann kam er für den VW-Chefposten nicht infrage. Für den Zahlenjob des Hans Dieter Pötsch dagegen schon. Nur: Wenn Stadler geht, braucht VW einen neuen Chef für die Tochter Audi.

© SZ vom 04.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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