Virtuelle Assistenten:Heinzelmännchen aus Indien oder Bulgarien

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Outsourcing reloaded: Virtuelle persönliche Assistenten mit Sitz in Billiglohnländern helfen, Büroarbeiten in den Griff zu bekommen - allerdings mit manchen Tücken.

Stefan Lakeband

E-Mails hier, Anrufe da und dann noch eine Konferenzschaltung - moderne Kommunikationsmittel können das Leben mitunter zur Hölle machen. Um da den Überblick zu behalten, bedarf es eines ausgeklügelten Systems, viel Geduld - oder aber einer helfenden Hand.

Virtuelle persönliche Assistenten erledigen Jobs wie das Telefonieren oder Schreiben von E-Mails. Aber: Die VPAs müssen koordiniert werden. (Foto: dpa)

Ein persönlicher Assistent könnte ein Ausweg aus dem Stress des Alltags sein, wenngleich auch ein sehr teurer. Billiger geht es jedoch dank der Globalisierung.

Schon seit mehreren Jahren bieten diverse Firmen im Internet die Dienste von persönlichen Assistenten an, die im Ausland sitzen und versuchen, die Anliegen ihrer Kunden über Internet und Telefon zu regeln. Vor etwa einem Jahr kamen auch zwei deutschsprachige Dienste auf den Markt - mit dem Service der sogenannten virtuellen persönlichen Assistenten (VPA).

Das Berliner Start-up "Strandschicht" ist einer von ihnen. Seit September 2009 können Kunden ihre Aufgaben nach Polen und Bulgarien auslagern - für fünf bis zehn Euro die Stunde. Das geht, weil dort das Lohnniveau bedeutend niedriger ist als in Deutschland.

"Wir möchten, dass unsere Kunden von überall aus arbeiten können", erklärt Strandschicht-Gründer Bastian Kröhnert das Konzept. Seine Kunden sind vor allem kleine Unternehmer oder Selbständige, die sich kein festangestelltes Personal leisten können oder nur kurzzeitig Hilfe brauchen. Für sie gibt es einen Ansprechpartner in Osteuropa, dem sie über das Telefon oder Internet ihre Arbeitsaufträge mitteilen können.

Die Arbeiten selbst können ganz verschieden sein. "In der Regel gehört aber dazu, dass die VPA zum Beispiel E-Mails verfassen, Texte schreiben, Recherchieren oder Telefonate übernehmen", so Kröhnert. Seltener käme es auch zu nicht geschäftlichen Aufträgen. "Einmal sollte einer unserer Assistenten Go-go-Girls organisieren. Für einen anderen Kunden sollte er eine Lebensgefährtin für den Schwiegervater über das Internet suchen", berichtet der Jungunternehmer. Ob die Aktionen erfolgreich waren, will er jedoch nicht verraten.

Derzeit nutzen etwa 100 Kunden die Dienste des gerade mal ein Jahr alten Unternehmens, dabei könnten es noch viel mehr sein: "Die Nachfrage ist sehr groß, wir können gar nicht so viele Kunden aufnehmen, wie wir Anfragen bekommen." Das läge momentan vor allem an einem Engpass bei den persönlichen Assistenten. Sie werden sehr sorgfältig ausgesucht.

"Von allen Bewerbungen, die wir bekommen, stellen wir gerade mal zehn Prozent ein", berichtet Kröhnert. Nach dem Einreichen der Bewerbungsunterlagen werden die Besten zum Telefoninterview gebeten. Dort werden die Deutschkenntnisse der Bewerber getestet. Danach folge ein richtiger Einstellungstest - über das Internet.

Die Bewerber bekommen Kröhnert und seine Kollege nur per Webcam zu Gesicht. Ganz ähnlich ist es für die Kunden. Sie können zwar bestimmen, wie und wie oft sie mit ihrem VPA sprechen - persönlicher Kontakt von Angesicht zu Angesicht ist aber nicht gewünscht. Strandschicht hat zurzeit etwa 20 persönliche Assistenten, die sich um die Belange ihrer deutschen Kunden kümmern. Einige von ihnen sind zum Beispiel junge Mütter, die studiert und längere Zeit in Deutschland gelebt haben und sich nun zu Hause um den Nachwuchs kümmern. "Nebenbei" erledigen sie die Büroarbeiten für deutsche Firmen.

Ein ganz ähnliches Konzept verfolgt ein zweiter Anbieter auf dem Markt, nur dass er gut 7000 Kilometer weiter östlich sitzt. Die indische Firma "getfriday" ist im Juli 2009 auf den Markt für deutsche Bürodienstleistungen gedrungen. Die Muttergesellschaft, das indische Firmenkonglomerat TTK Group, hatte zuvor schon mit einem englischsprachigen Dienst Erfahrungen gesammelt. Wer seinen Arbeitsstress auf den Subkontinent auslagern möchte, muss etwas tiefer in die Tasche greifen. Sieben bis 15 Euro kostet die helfende Hand aus der größten Demokratie der Welt.

Jemand, der beide Dienste für sich arbeiten lässt, ist Michael Wittke. Er sagt von sich selbst, dass er Outsourcing mit Leidenschaft betreibt. Wittke ist Informatik-Doktorand und leitet nebenbei auch noch das Internetportal für Ernährungsmanagement Foodplaner.de. Mit Sneha hat alles für ihn angefangen. Sie war seine erste indische Assistentin von "getfriday". "Mittlerweile greife ich aber noch auf eine bulgarische Assistentinnen von Strandschicht zurück" sagt Wittke. Außerdem hat er sich noch privat über das Internet eine VPA aus Bulgarien gesucht. Sie alle helfen ihm dabei, administratorische, aber auch private Aufgaben zu bewältigen.

"Die VPA setze ich für einfache Recherchetätigkeiten, private Projekte wie zum Beispiel Reiseplanung und als Assistenz für die Buchhaltung ein." Im Monat kommt er auf etwa 20 bis 30 Stunden, die er nach Bulgarien oder Indien outsourct. Für die Zukunft plant er noch mehr ein.

Größere Probleme hatte er bis jetzt noch nicht mit seinen VPA. Lediglich die Kommunikation mit den indischen Helfern sei hin und wieder problematisch, weil die Deutschkenntnisse nicht so gut seien. Um sicher zu gehen, dass seine Assistenten die Aufträge auch verstanden haben, hat Wittke seine eigene Strategie: "Ich habe eine Vorlage entwickelt, die zuerst kurz den Hintergrund zur Aufgabe erklärt, dann die Aufgabe explizit darstellt und dann den Arbeitsumfang sowie die Deadline wiedergibt." Er lasse sich alle Aufgaben von den VPA bestätigen und sie mit ihren eigenen Worten wiederholen.

Dennoch sind die Assistenten für Wittke mehr als nur Arbeitserleichterung ein paar hundert oder tausend Kilometer entfernt. "Es ist wichtig, den VPA als Menschen zu sehen und nicht als Black Box, die für einen Aufgaben abarbeitet. Nur weil jemand nicht nebenan sitzt und einem hilft, heißt es nicht, dass man nicht eine soziale Bindung zu der Person hat."

Den vielleicht wichtigsten Auftrag, den der 30-Jährige mit Hilfe der VPAs gemeistert hat, war allerdings gar nicht geschäftlich. Eine Assistentin hat Restaurants in der österreichischen Region herausgesucht, in der Wittke mit seiner Freundin Urlaub machen wollte. Doch es blieb nicht nur beim Urlaub: In dem gewählten Restaurant hielt der Informatiker auch um die Hand seiner Freundin an. "Zuerst hatte ich Skrupel, den VPA dafür einzusetzen," gibt Wittke zu, "aber nach dem Antrag und dem erleichternden 'Ja', habe ich ihr alles gebeichtet und sie fand es überhaupt nicht schlimm, dass ich nicht alle Aufgaben alleine gemacht habe."

Auch wenn Michael Wittke mit der Arbeit seiner ausländischen Assistenten zufrieden ist und er mit ihrer Hilfe bald in den Hafen der Ehe steuern wird, mehr Freizeit hat er dadurch nicht: "Die Entscheidung für einen VPA bedeutet aber keineswegs, dass man weniger arbeitet."

Schließlich müssten die Assistenten sinnvoll koordiniert werden - und auch das ist Arbeit.

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