Versicherungen:Viel Selbstkritik

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Die Branche der Versicherer muss sich neu aufstellen. Zu altmodisch, zu langsam, zu weit vom Kunden entfernt - so lautet die Kritik aus den eigenen Reihen.

Von Herbert Fromme und Jonas Tauber, Berlin

Als Ruheständler konzentriert sich Alexander Erdland künftig auf seinen Gutshof im westfälischen Oelde. In seiner letzten Rede als Präsident des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) findet er kritische Worte zur Branche: zu kompliziert, zu weit weg vom Kunden, zu langsam. "Kunden orientieren sich an Amazon und Google", sagt er. Erdland empfiehlt die enge Zusammenarbeit mit Versicherungsstartups. Und er warnt vor Angriffen branchenfremder Firmen, die aus ganz anderen Wirtschaftsfeldern kommen und die Versicherung neu erfinden könnten, weil sie aus Sicht der Kunden denken.

Erdland wird mit viel Applaus verabschiedet. Die Vorstände wissen, dass er recht hat. Und sie sind dankbar für die Plackerei als Cheflobbyist, die er sich fünf Jahre neben dem Chefposten bei der Wüstenrot & Württembergischen angetan hat. Nachfolger wird Wolfgang Weiler, der bislang an der Spitze der HUK-Coburg stand.

Erdland verlangt von Angela Merkel, schnell eine Regierung zu bilden. Die Branche hat klare Forderungen: Berlin soll die förderfähigen Beiträge für die Riester-Rente, zurzeit 2100 Euro im Jahr, erhöhen und künftig automatisch anpassen, "damit Riester wie geplant die Rentenlücken schließen kann". Erdland warnt vor "weiteren Rentengeschenken" wie der Rente mit 63. Stattdessen müsse die private Vorsorge gestärkt werden.

Der GDV sucht Erleichterungen bei den milliardenschweren Zinszusatzreserven, mit denen die Lebensversicherer hohe Zinszusagen aus früheren Jahren unterlegen müssen. "Die Reserve schießt über das Ziel hinaus", bemängelt er. Forderungen von Politikern, die Versicherer müssten im Gegenzug transparenter werden und die Abschlussprovisionen senken, kann Erdland nachvollziehen.

Die Lage der Lebensversicherer ist das dringendste Problem der Branche, aber nicht das einzige. Zu wenige Bundesbürger versichern sich gegen Hochwasserschäden, findet Erdland. Er unterstützt Bayerns Linie, Hochwasseropfern nur dann finanziell zu helfen, wenn sie sich nicht versichern konnten. Die übrigen Bundesländer wollen folgen.

Der GDV verlangt außerdem neue Bauvorschriften. "Hochwassersicheres Bauen muss endlich fester Bestandteil der Bauvorschriften werden", sagt Erdland.

© SZ vom 28.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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