Versicherungen:Transparenz, bitte!

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Versicherungen legen Zahlen vor, wie oft und schnell sie für Schäden aufkommen. Doch die sind kaum zu überprüfen.

Von Anne-Christin Gröger, Köln

Es ist ein altbewährtes Ritual zwischen den Versicherern und ihren Kunden. Die Versicherten werfen den Unternehmen vor, im Schadensfall nicht zu zahlen. Die Versicherer wiederum beschuldigen die Kunden, es mit der Ehrlichkeit nicht immer so genau zu nehmen.

Besonders bei der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) streiten sich die zwei Seiten. Verbraucherschützer und Anwälte klagen, dass Unternehmen Zahlungen systematisch verschleppten. Sie kritisieren, dass vor allem Arbeitnehmer mit riskanten Berufen und Vorerkrankungen kaum Zugang zu Policen bekämen. Die Versicherer, so lautet der Vorwurf, betrieben "Rosinenpickerei", indem sie nur jungen und gesunden Kunden bezahlbaren Schutz gewährten.

Darauf haben Versicherer bislang immer gleich reagiert. Die Unternehmen regulierten schnell und unkompliziert, Streitigkeiten vor Gericht nähmen nicht zu, so gut wie jeder Kunde könne sich versichern, so das Mantra des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Doch inzwischen scheint der Verband begriffen zu haben, dass sich Kritiker damit nicht überzeugen lassen.

Jetzt veröffentlichte der Verband erstmals Zahlen dazu, wie oft und wie schnell Mitgliedsunternehmen für Schäden aufkommen. Das Ergebnis: 2014 hatten die Versicherer 77 Prozent aller eingereichten Anträge auf Leistungen aus der BU-Versicherung anerkannt. "Zwischen vollständigem Leistungsantrag und der Leistungsentscheidung vergingen im Mittel knapp 13 Kalendertage", heißt es vom GDV. Ein vollständiger Leistungsantrag liegt vor, wenn der Kunde alle Unterlagen einschließlich ärztlicher Gutachten und andere Belege beim Versicherer eingereicht hat. Wann es soweit ist, bestimmt jedoch der Versicherer. Das Problem: Häufig fordert der immer neue Unterlagen an und verzögert dadurch die Regulierung. Der GDV will außerdem den Vorwurf entkräften, dass nur junge und gesunde Kunden einen Vertrag erhielten. Bei knapp 823 000 Anträgen auf eine BU-Versicherung habe es 2014 in fast 776 000 Fällen auch ein Versicherungsangebot gegeben, heißt es vom Verband. "Das entspricht einer Annahmequote von über 94 Prozent."

Die Ratingagentur Franke und Bornberg beurteilte die Bereitschaft des GDV zur Transparenz positiv, übt aber auch Kritik: Die Experten bemängeln, dass die Zahlen nicht von Externen verifiziert werden können, sondern allein auf Angaben der Versicherer beruhen. Die Leistungsquote von 77 Prozent aller eingereichten Anträge unterscheidet sich deutlich von den Werten, die die Ratingagentur ermittelt hat: "Bezogen auf alle Anträge lagen unsere Werte bei knapp 65 Prozent. Erst wenn die Fälle von zurückgezogenen Anträgen oder verletzter Mitwirkung abgezogen werden, erreicht die von uns ermittelte Quote fast 75 Prozent und damit annähernd den GDV-Wert", schreiben die Analysten. Der Hintergrund: Viele Kunden, die einen Antrag auf Leistung stellen, füllen den angeforderten Fragebogen nicht aus oder ziehen den Antrag wieder zurück. Der GDV weise nicht aus, ob die Quote alle Leistungsanträge berücksichtigt oder nur die, bei denen alle erforderlichen Angaben vorlagen, kritisiert die Ratingagentur. Versicherungsmakler Matthias Helberg aus Osnabrück sieht die Annahmequote von 94 Prozent kritisch: "Man sollte darauf hinweisen, dass es ganz offensichtlich aus den 823 000 Anträgen nicht etwa zu 776 000 neuen BU-Verträgen gekommen ist." Vielmehr spreche der GDV von einem Angebot, in dem möglicherweise "irrsinnige Zuschläge" oder Leistungsausschlüsse enthalten seien.

© SZ vom 19.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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