Versicherungen:Dachschaden geht ins Geld

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Dacharbeiten nach einem Sturmschaden im Jahr 2015 im Landkreis Hameln (Niedersachsen): Wenn die Versicherung zahlen muss, erhöht sie meist den Beitrag. (Foto: Michael Reichel/dpa)

Ob in der Wohngebäude- oder in der Kfz-Versicherung: Gerade bei kleineren Ereignissen kann es sich für Kunden lohnen, den Schaden selbst zu begleichen. Denn sonst erhöhen die Gesellschaften oft die Prämie.

Von Anne-Christin Gröger, Köln

Für viele ist es eine Horrorvorstellung: Nach einem langen Wochenende in die Wohnung zurückzukommen und die Küche wegen eines Wasserrohrbruches überschwemmt vorzufinden. Die elektronischen Geräte sind teilweise kaputt, die Wände feucht, und es riecht schon modrig. Weniger schlimm, aber dennoch nervig ist es, nach einer langen Autofahrt übermüdet dem Nachbarn beim Einparken den Kotflügel zu zerkratzen. Weil die Polizei gerufen wird, verzögert sich das Heimkommen noch einmal um mindestens eine Stunde, von dem finanziellen Schaden noch gar nicht zu sprechen.

"Für solche Fälle habe ich doch eine Versicherung abgeschlossen", denken sich viele Verbraucher. Sie soll einspringen, damit man nicht auf einem mitunter teuren Schaden sitzen bleibt und der Geldbeutel geschont wird. Allerdings kann es in manchen Fällen durchaus sinnvoll sein, einen Schaden selbst zu übernehmen, um Nachteile für den eigenen Vertrag zu vermeiden. Beispiel Kfz-Haftpflicht- und Vollkasko-Versicherung: Hier wirkt sich jeder Schaden auf die Schadenfreiheitsklasse (SFK) aus, nach der Anbieter die Prämie berechnen. Je mehr schadenfrei gefahrene Jahre, desto höher die SFK, desto geringer die Prämie. Sobald ein Schaden eintritt, kann der Versicherer diese erhöhen.

Ein Finanzportal empfiehlt, Kfz-Haftpflicht-Schäden bis 1500 Euro selbst zu begleichen

Wer die Kosten jedoch selbst trägt, belastet nicht den Versicherer und damit auch nicht seine eigene SFK. Das kann sich rechnen. "Bei Schäden bis zu 1000 Euro informieren wir den Kunden, ob es sich lohnt, den Schaden aus eigener Tasche zu bezahlen oder ihn regulieren zu lassen", sagt ein Sprecher des Versicherers HUK-Coburg. Das Verbraucherportal Finanztip rät, Haftpflicht-Schäden, die Versicherte am Auto Dritter verursachen, bis zu einer Höhe von 1500 Euro und Vollkasko-Schäden bis 1300 Euro wenn möglich selbst zu übernehmen. Alternativ bietet Stiftung Warentest einen Online-Rechner an, mit dem Versicherte prüfen können, wann es insgesamt teurer wird, den Schaden dem Versicherer zu melden, als ihn selbst zu übernehmen.

Der Düsseldorfer Versicherungsmakler Johannes Brück empfiehlt, selbst verursachte Haftpflicht-Schäden immer zuerst über den Versicherer laufen zu lassen und ihn möglicherweise später "zurückzukaufen", wie es im Branchenjargon heißt. Das bedeutet, dass der Versicherer erst einmal den Schaden reguliert, das Geld aber dann von dem Verursacher zurückerhält. Der wird im Gegenzug in der Schadenfreiheitsklasse nicht schlechter gestellt. Der Hintergrund: "Der Versicherer soll erst einmal prüfen, ob die Ansprüche des Geschädigten gerechtfertigt sind", sagt Brück.

Auch in der Wohngebäudeversicherung lohnt es sich nachzurechnen, vorausgesetzt, die finanzielle Situation des Versicherten lässt es zu. "Generell kann man sagen, dass bei Schäden, die in der Nähe eines vereinbarten Selbstbehaltes liegen, eine Überprüfung lohnt", sagt ein Sprecher der Provinzial Rheinland. Das könne etwa der Fall sein, wenn ein Sturmschaden 550 Euro kostet und der vereinbarte Selbstbehalt bei 300 Euro liegt.

Wer zu viele Schäden in einem zu kurzen Zeitraum meldet, riskiert Prämienerhöhungen oder sogar die Kündigung. Das liegt daran, dass die Wohngebäudeversicherer ihre Kunden jahrelang für zu günstige Beiträge versichert hatten. Das macht ihnen jetzt, angesichts hoher Schäden durch Naturkatastrophen, schwer zu schaffen. Auch Leitungswasserschäden an überalterten Wohngebäuden kommen die Gesellschaften teuer zu stehen und lassen sie vorsichtig werden.

Die Folge: Selbst nach drei kleineren Bagatellschäden, die zusammen nicht mehr als 1000 Euro gekostet haben, flattert vielen Kunden die Kündigung ins Haus. "Die Erfahrung zeigt: Ein großer Schaden führt noch nicht zur Kündigung, aber nach drei kleineren Vorschäden in den vergangenen fünf Jahren wird es für die meisten Versicherten haarig", sagt Versicherungsmakler Brück. Vor allem bei den sogenannten Frequenzschäden, die immer wieder passieren, sind die Versicherer inzwischen wachsam. "Häufige Schäden im Leitungswasser-System eines Hauses lassen den Schluss zu, dass ab einem gewissen Punkt vom Eigentümer etwas zur Instandhaltung der wasserführenden Systeme getan werden muss", bestätigt ein Sprecher der Provinzial Rheinland.

Er betont, dass mehrere Schäden nacheinander nicht immer gleich zur Kündigung eines Vertrages führen. Nachteile für den Versicherten entstehen dennoch. "Es gibt in der Regel noch andere Sanierungsalternativen, bevor wir uns tatsächlich zur Kündigung entschließen", sagt der Sprecher. Dazu gehören höhere Preise oder eine Erhöhung des Selbstbehalts.

Wem allerdings gekündigt wurde, der hat es in der Regel schwerer, einen neuen Vertrag zu bekommen. "Es kommt zwar selten vor, dass der Betroffene unversichert bleibt, aber schlechtere Konditionen als im Vorvertrag muss er schon hinnehmen", sagt Brück.

Auch wer in den vergangenen fünf Jahren den Wohngebäudeversicherer schon mehrmals in Anspruch nehmen musste, habe nach einem weiteren Schaden eine Chance, sagt der Makler. Dazu ist allerdings etwas Verhandlungsgeschick erforderlich. "Verbraucher können immer versuchen, einen kleineren Schaden aus der Vergangenheit nachträglich doch noch selbst zu zahlen, wenn er nicht zu lange zurückliegt", sagt er. "Darauf haben Kunden keinen Rechtsanspruch, aber es macht immer Sinn, mit dem Versicherer zu sprechen."

© SZ vom 03.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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