Versicherung:Schwere Suche nach besserem Schutz

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Die gesetzliche Absicherung vor einer Erwerbsunfähigkeit reicht nicht. Armut droht.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Es kann das finanzielle Desaster bedeuten. In Deutschland wegen einer chronischen Krankheit seine Arbeitskraft zu verlieren, heißt oft zugleich: Mit dem finanziell einigermaßen sorgenfreien Leben ist es vorbei. Wer nicht extra vorgesorgt hat oder einen Geldverdiener an seiner Seite hat und auf die gesetzliche Erwerbsminderungsrente (EM-Rente) angewiesen ist, kann schnell in die Armut rutschen.

Im Durchschnitt bekommen die 1,7 Millionen Menschen mit einer solchen Rente nach Abzug der Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung 719 Euro im Monat. Wer erstmals eine EM-Rente bekommt, muss sich in der Regel sogar mit noch weniger begnügen: Männer kamen in solchen Fällen 2014 im Westen auf durchschnittlich 659, Frauen auf 594 Euro. Seit Jahren wird deshalb über Reformen bei der Absicherung der Invalidität diskutiert - ohne wesentliche Fortschritte.

Früher gab es beides: die gesetzliche Berufsunfähigkeitsrente (BU-Rente) und die Erwerbsunfähigkeitsrente. Die BU-Rente, die nur floss, wenn ein Versicherter nicht mehr in seinem bisherigen Beruf arbeiten konnte, wurde zur Jahrtausendwende abgeschafft. Davon können nur noch diejenigen profitieren, die vor 1961 geboren sind. Die nicht mehr ganz neue EM-Rente ist zweigeteilt: Wer weniger als drei Stunden täglich arbeiten kann, bekommt sie voll ausgezahlt, wer drei bis unter sechs Stunden schafft, erhält sie teilweise. Jeder dritte Haushalt dieser Rentner-Gruppe gilt aber bereits als armutsgefährdet. Und auch in Zukunft werden die Erwerbsminderungsrentner wie alle Ruheständler unter der Senkung des Rentenniveaus leiden.

Wer Vorerkrankungen hat oder gefährdete Tätigkeiten ausübt, kann sich kaum privat absichern

Daran wird auch das Rentenpaket nicht viel ändern: Die Bundesregierung hat im vergangenen Jahr die Ansprüche der Erwerbsminderungsrentner verbessert. Im Durchschnitt fallen die EM-Renten dadurch 40 Euro brutto im Monat höher aus. Davon profitieren allerdings nur die Neu-Rentner. Vorschläge von Wohlfahrtsverbänden, der Grünen und Linken und der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft, die Rentenabschläge für diese Gruppe abzuschaffen, waren der Bundesregierung hingegen zu teuer. Fast alle EM-Rentner haben diese Einbußen, die bei einem vorzeitigen Bezug der Rente fällig sind. Sie belaufen sich auf bis zu 10,8 Prozent (0,3 Prozent pro Monat für maximal drei Jahre) der Rente. Im Durchschnitt lag der Abschlag 2013 bei fast 78 Euro monatlich.

Der Präsident der Deutschen Rentenversicherung, Axel Reimann, hält deshalb "eine zusätzliche Absicherung im Bereich der Invaliditätssicherung für ebenso wichtig wie bei der Alterssicherung". Die Angebote in der privaten und betrieblichen Altersvorsorge seien jedoch "bislang noch nicht befriedigend", sagte er der ddeutschen Zeitung. "Für Arbeitnehmer mit Vorerkrankungen oder in besonders gefährdeten Tätigkeiten ist es teilweise nur schwer oder gar nicht möglich, sich zu akzeptablen Konditionen gegen Erwerbsunfähigkeit zu versichern", kritisiert Reimann.

Die Riester-Rente kann hier wenig helfen. Riester-Sparer können in der Regel nur einen kleinen Teil ihrer Beiträge verwenden, um eine Erwerbsunfähigkeit abzusichern. Würde der Gesetzgeber diese Grenze erhöhen, wie vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) gefordert, wäre aber womöglich nicht viel gewonnen. Je mehr Geld in die Absicherung der Erwerbsminderung fließt, desto weniger steht für die Altersvorsorge zur Verfügung. Wer mehr Schutz wolle, müsse einen gesonderten Berufsunfähigkeits-Vertrag abschließen, rät der GDV.

Bleibt die Betriebliche Altersvorsorge (BAV): Ob und in welchem Umfang eine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit hiermit abgesichert ist, hängt vom Vertrag ab. Aber auch hier sind die Versorgungslücken groß, schon weil 40 Prozent der Arbeitnehmer keine BAV haben. Die Versicherer wünschen sich deshalb, die steuerliche Förderung aufzustocken. Dadurch ließe sich auch die Invaliditätssicherung deutlich verbessern, so der GDV. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hat im Prinzip nichts dagegen. Ob sie dafür aber Geld vom Finanzminister bekommt, ist fraglich.

Das Versorgungswerk der Metall- und Elektroindustrie ("Metallrente") bietet deshalb jetzt den Beschäftigten in der Branche eine private Erwerbsminderungsversicherung an. Dabei gibt es von 1. Juli an einen Tarif für alle. "Damit steuern wir auch bewusst gegen den Trend zu hochgezüchteten BU-Versicherungen, die von Beschäftigten in risikoträchtigeren Berufen kaum noch finanzierbar sind", sagt Metallrente-Chef Heribert Karch. Eine Erwerbsminderung, sagt er, dürfe nicht "in die Armutsfalle führen".

© SZ vom 18.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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