Verlag Gruner + Jahr:Dark Avenue

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Schmerzhafter Umbau bei Gruner + Jahr: "Park Avenue" wird eingestellt und vier Wirtschaftstitel werden nun von einer Redaktion gemacht. 110 Mitarbeiter erhalten Kündigungen.

C. Busse

Ende Oktober verschickte Bernd Kundrun einen Brandbrief an seine führenden Mitarbeiter. Ungewöhnlich offen sprach der Vorstandschef von Gruner + Jahr angesichts der Wirtschaftskrise von möglichen "Bereinigungen". Betroffen seien Titel "die keine Aussicht haben, die Krise zu überstehen". Das war neu im Hamburger Verlagshaus, das bisher eher auf Konsens ausgerichtet war. Kundrun, 50, kündigte auch schmerzlichen Maßnahmen an.

Radikaler Umbau bei Gruner + Jahr: Der Verlag lässt seine vier Wirtschaftstitel von einer Redaktion produzieren - Dutzende Stellen fallen weg. (Foto: Foto: dpa)

Wie schmerzlich diese Maßnahmen seien können, haben damals wohl die wenigstens geahnt. Treffen wird es zunächst den Bereich Wirtschaftsmedien. Was Gruner + Jahr an diesem "schwarzen Mittwoch" verkündete, kann durchaus als radikal bezeichnet werden - und gilt als bisher einmalig in der Geschichte der Bertelsmann-Tochter.

Auch die übrigen Zeitschriften bleiben nicht verschont: So wird das ehemals als Hoffnungsträger gestartete Gesellschaftsmagazin Park Avenue eingestellt, teilte Gruner + Jahr am Mittwochabend mit.

2005 war der Hochglanztitel herausgekommen, eine frühe Antwort auf das ähnlich gelagerte Magazin Vanity Fair. Zuletzt hatte Park Avenue publizistisch an Kontur gewonnen. Die Auflage lag bei 102.000 Exemplaren, darunter aber nur 16.500 Abonnements und 22.400 Verkäufe am Kiosk.

Es lasse sich keine "belastbare wirtschaftliche Perspektive" erstellen, teilte G + J mit. Von dem Aus seien 23 Mitarbeiter betroffen, deren Stellen wegfallen. Außerdem werden Life & Style in Russland und Gala in den Niederlanden eingestellt, mit weiteren 35 Jobs.

Für die Wirtschaftspresse hat sich Konzernchef Kundrun eine Großlösung einfallen lassen. Künftig sollen die vier Wirtschaftstitel des hanseatischen Hauses - Financial Times Deutschland(FTD), Capital, Börse Online und Impulse - von einer neuen gemeinsamen Großredaktion in Hamburg produziert werden. Diese soll am Ende 250 Mitarbeiter haben und bereits zum 1. März 2009 starten.

Das bedeutet aber auch einen erheblichen Stellenabbau. Die bisherigen Standorte in Köln (I mpulse, Capital) und in München ( Börse Online) werden geschlossen. Alle 110 Mitarbeiter der drei Redaktionen erhalten betriebsbedingte Kündigungen. Gleichzeitig sollen in Hamburg 50 neue Stellen in der Großredaktion geschaffen werden, die intern, aber auch extern ausgeschrieben werden. Alle 110 derzeitigen Redaktionsangehörige können sich also bewerben. Wer die Jobs dann bekommt, ist offen. "Mit jedem Betroffenen wird gesprochen", verspricht Gruner + Jahr.

"Momentan ein Debakel"

Das ist aber nicht alles: Offenbar sind weitere Stellenkürzungen geplant. Wie es aus Verlagskreisen heißt, werden in der Redaktion der FTD weitere zehn Stellen gestrichen. So wurde die unterhaltende, aber meist anzeigenfreie Wochenendbeilage Weekend (Untertitel: aussprechen, ausgeben, aufdrehen, ausleben), die immer freitags erschien, bereits gestrichen. Die Themen sollen in die FTD integriert werden, Weekend wird Ende November zum letzten Mal erscheinen. Und auch im Verlagsmanagement werde es noch weitere Kürzungen geben, heißt es. Das Verlagsmanagement wurde erst im Sommer in Hamburg zusammengefasst, einige Abteilungen zogen von Köln um. Rund 20 Jobs gingen dabei verloren.

Verkündet wurden die schlechten Nachrichten am Mittwoch von G+J-Vorstandmitglied Bernd Buchholz und von Ingrid Haas, der Verlagsgeschäftsführerin G+J-Wirtschaftsmedien. Beide waren zuerst morgens in Köln und informierten die Redaktionen von Capital und Impulse und flogen mittags in München zu Börse Online. Das Entsetzen ist groß. "Unsere schlimmsten Vorstellungen sind übertroffen worden", sagt einer aus der Redaktion. Die FTD habe im Gegensatz zu den drei anderen Titeln keine Tarifbindung, die Arbeitsbedingungen seien für die, die möglicherweise einen neuen Job in Hamburg erhalten, dann wohl deutlich schlechter.

Die Alternative wäre die Schließung von einem oder mehreren Titel gewesen, heißt es zur Begründung für die radikalen Schritte aus dem Verlag. Schlimmeres sei also verhindert worden. "Die Schaffung der Redaktion Wirtschaft ist der einzige Weg, die nötigen Einsparungen durch die Nutzung gemeinsamer Ressourcen zu erzielen und zugleich die Identität und Qualität der Blätter zu wahren," teilte Buchholz mit. Mit drastischen Kostensenkungsmaßnahmen pro Einzelmarke sei das Ziel nicht zu erreichen gewesen. Genaue Zahlen zur wirtschaftlichen Entwicklung der vier Titel gibt es nicht.

Lesen Sie im zweiten Teil, wie die neue Großredaktion Wirtschaft bei Gruner + Jahr konkret aussehen wird.

Aber offenbar erwartet der Bereich Wirtschaftsmedien für 2008 einen erheblichen Verlust, von bis zu zehn Millionen Euro insgesamt ist die Rede. Der überwiegende Teil davon soll die FTD erwirtschaften, im Minus seien aber auch Capital und Börse Online, während Impulse sich nahe der Null-Linie bewege. Derzeit leiden alle Medienunternehmen aufgrund der aufziehenden schweren Wirtschaftskrise und der abbrechenden Werbekonjunktur. Reine Wirtschaftstitel sind besonders stark betroffen. Hier inserieren unter anderem die Finanz- und die Autoindustrie, die tief in Schwierigkeiten stecken und deshalb Anzeigen als erstes stornieren. "Das ist momentan anzeigenmäßig ein Debakel", verlautete bei Gruner + Jahr über die Lage bei der FTD. In den vergangenen Monaten sei das Anzeigenvolumen der meisten Wirtschaftstitel deutlich nach unten gegangen.

Trotzdem wird die neue Großredaktion künftig stark von der FTD geprägt sein. So soll die Redaktion von einem Chefredakteurskollegium geführt werde, das vom derzeitigen FTD-Chefredakteur Steffen Klusmann geführt wird. Dem Kollegium werden zudem Ursula Weidenfeld ( Impulse) und Stefanie Burgmaier ( Börse Online) angehören. Klaus Schweinsberg, Chefredakteur von Capital, hat gerade seine Abschied bekannt gegeben, er wollte angeblich die Kürzungen nicht mittragen. Für ihn werde aber ein Nachfolger bestimmt.

Problemfall FTD

Die Redaktion hat künftig mehrere Ressorts. CvD- und Layout-Aufgaben sollen aus einem Team heraus erbracht werden. Die Internetredaktionen der vier Titel werden zusammmengelegt, teilte G+J mit. Die FTD kommt derzeit auf eine Auflage von gut 101.000 Stück. Börse Online ist bei 100.000 Exemplaren, Impulse bei 121.000. Capital - das Wirtschaftsmagazin ist bereits seit 1962 am Markt - verkauft 210.000 Stück und musste zuletzt bereits das Erscheinen von zweiwöchentlich auf monatlich umstellen.

Wirtschaftlich war in den vergangenen Jahren vor allem die FTD ein Problemfall. Ursprünglich war der Pearson-Verlag ( Financial Times) mit 50 Prozent beteiligt, doch ihre Anteile haben die Briten Anfang diesen Jahres an G + J verkauft. Vorangegangen waren quälend lange Verkaufsverhandlungen. Unter anderem der Spiegel-Verlag war interessiert, doch das Geschäft scheiterte am Widerstand der mächtigen Mitarbeiter-KG. Seit der Gründung im Jahr 2000 hat die FTD nur Verluste eingefahren. Immer wieder wurde in fast schon regelmäßigen Abständen über eine mögliche Einstellung der rosafarbene Zeitung spekuliert.

Auch seit dem Brandbrief von Kundrun stand dies offenbar im Raum. Dabei war der G+J-Chef Bernd Kundrun im Frühjahr noch fest überzeugt, dass bereits 2009 bei der FTD die ersehnten schwarzen Zahlen erreicht werden. "Bald tauchen wir auf", versprach er im April. Daraus wurde nichts - die G+J Wirtschaftsmedien tauchten sogar weiter ab. "Einer der größten Knaller" der deutschen Zeitungslandschaft hatten die Macher der FTD übrigens zum Start im Februar 2000 versprochen. Nun, fast neun Jahre später, musste das G+J-Management einen Knaller in eigener Sache verkünden - es sind keine gute Nachrichten.

© SZ vom 20.11.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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